: Franz Schönhuber darf sich frey fühlen
Nach neun Jahren tritt Franz Schönhuber als Chef der „Republikaner“ ab / Rolf Schlierer übernimmt das Erbe /Einpeitscher und Ex-CDU-MdB Rudolf Krause wird Parteivize ■ Aus Sindelfingen Christoph Seils
„Mit dem heutigen Tag ist die Ära Schönhuber beendet“, verabschiedete sich der Ober-Rep von den rund 600 Delegierten des Bundesparteitages der rechtsextremen Partei am Wochenende in Sindelfingen. Schönhuber, der sich in den letzten Wochen noch mit deutlichen Worten und juristischen Kniffen seiner Amtsenthebung durch den Bundesvorstand widersetzt hatte, schmiß alles hin. Kampflos überließ er sein „Lebenswerk“ den innerparteilichen Widersachern. „Macht's gut, Freunde“, stammelte er, ohne seinen Nachfolger Rolf Schlierer noch eines Blickes zu würdigen. Während sich das Delegiertenvolk ein letztes Mal für den fast 72jährigen erhob, schmunzelten Schlierer und Co. zufrieden vom Podium, war es ihnen doch gelungen, Schönhuber auf dem Parteitag ohne großen Knall abzuservieren. Mit 335 von 598 Stimmen wählten die Delegierten den 39jährigen Rep-Fraktionsvorsitzenden im baden-württembergischen Landtag, Rolf Schlierer, anschließend zu ihrem neuen Bundesvorsitzenden.
Von den innerparteilichen Querelen, Intrigen und Finanzmanipulationen wollten die Delegierten nichts mehr hören.
Mit Pfiffen oder Buhrufen quittierten sie jeden Versuch, das Gebaren von Parteifunktionären anzusprechen. Einige Rep-Mitarbeiter hatten sich selbst hohe Gehälter und Aufwandsentschädigungen genehmigt.
Schönhuber rechnete nicht mehr ab
Wer nach den Machtkämpfen, die seit dem Treffen von Schönhuber mit Gerhard Frey (DVU) im August in der Partei toben, erwartet hatte, Schönhuber würde jetzt öffentlich mit seinen Gegnern abrechnen, der wurde enttäuscht. Um eine Spaltung der Partei zu verhindern, hatten sich die verschiedenen Flügel der Partei offensichtlich bereits am Vorabend des Parteitages verständigt.
Daß der neue Parteivorsitzende das „Lebenswerk“ eines Franz Schönhuber fortsetzen könnte, daran zweifelten selbst die scheinbar resignierten Delegierten. Schlierer versprach zwar endlich die Parteistrukturen zu erneuern und vor allem die dringend erforderliche innerparteiliche Bildungsarbeit zu organisieren, doch mit seiner Rede brachte er die Delegierten vor allem zum Gähnen.
Seinem „Vorbild“ Jörg Haider will Schlierer nacheifern, die „Republikern“ zu einer rechtsdemokratischen Partei machen und sich der CDU als rechter Mehrheitsbeschaffer andienen. Doch über politische Ideen beziehungsweise rechte Politikkonzepte konnten die Delegierten nicht diskutieren. Dabei hatten Schlierer, der rechtsextremes Gedankengut als „wahren Konservatismus“ gesellschaftlich etablieren will, und Schönhuber mit seiner Vision von einer „kontrollierten Öffnung nach rechts“ zwei vollkommen unterschiedliche Politikkonzepte vorgetragen. Die Generaldebatte verkam zum elenden Gewürge. Im Zweiminutentakt übten die Delegierten innerparteiliche Demokratie, doch das bescheidene Diskussionsniveau hätte noch nicht einmal ausgereicht, um die Lufthoheit über dem Stammtisch zurückzugewinnen.
Krause: „Perverse Fantasien“ aus Hollywood
Nach eineinhalb Stunden war die Qual überstanden. Rudolf Krause, dem Ex-CDU-MdB aus Sachsen- Anhalt, war es vorbehalten, die Rep-Seele wieder in Wallungen zu bringen. Mit einer Rede, die dem DVU-Chef Gerhard Frey oder dem NPD-Vorsitzenden Günter Deckert alle Ehre gemacht hätte, sorgte er in der Sindelfinger Messehalle ein letztes Mal für Stimmung. Die „perversen Fantasien“ aus Hollywoods Kulturindustrie seien für ihn genauso „Ausgeburt unheilbar kranker Gehirne“ wie die Übergriffe „kahlgeschorener Jugendlicher“, rief er den jubelnden Delegierten zu. Innerparteiliche Demokratie heiße für ihn Pflichterfüllung, der Staat, so schlug Krause vor, müsse zu einer familienähnlich organisierten Selbstversorgergemeinschaft werden.
Vor seiner Wahl zum neuen Vorsitzenden hatte Rolf Schlierer erneut die Abgrenzung von anderen rechtsextremen Organisationen sowie vom sogenannten „rechten Narrensaum“ – diesen Mythos des Rustorfer Parteitages von 1990 – beschworen. Doch der frühere CDU-Mann Rudolf Krause präsentierte sich mit einem geschlossenen nationalsozialistischen Weltbild und stellte so den neuen Rep-Chef bloß. Schlierer wird also noch seinen Spaß haben mit dem rechten Narrensaum im Parteivorstand.
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