■ Das Portrait: Emma Bonino
Italiens neue Europakommissarin Foto: AP
Emma Bonino ist trotz ihrer erst 46 Jahre schon so etwas wie eine Oldtimerin im Parlamentsbetrieb Italiens: mit 28 Jahren wurde sie zum ersten Mal in die Abgeordnetenkammer gewählt und seither immer bestätigt, zunächst für die Radikale Partei, seit zwei Legislaturperioden für die Liste Pannella. Ihre überraschende Nominierung durch die Regierung Berlusconi zur Europakommissarin Ende Oktober 1994 stellt zweifellos den bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere dar. Doch möglicherweise werden ihre historischen Verdienste eher jene Meriten sein, die sie sich schon vor zwei Jahrzehnten erworben hat. 1975 übernahm sie, blutjung, die Leitung des Centro Informazione Sterilizzazzione Aborto, jenes Zentrum, das die Kampagnen zur Liberalisierung der Abtreibung koordinierte und den Frauen eine für das seinerzeitige Italien unerhörte Rolle in der Öffentlichkeit auftat. Das Handicap, das sie mit sich herumschleppt, liegt nicht in irgendwelchen Mängeln ihrer Person oder in düsteren Geschichten aus der Vergangenheit – ihr Leiden hat einen männlichen Namen und heißt Marco Pannella.
Der Gründer und seither ununterbrochene Herrscher der Radikalen Bewegung wirft einen derart mächtigen Schatten auf alles in seiner Umgebung, daß sich kaum Eigengewächse entwickeln können. So zerstörte er die Freude vieler Frauen über die Wahl einer Geschlechtskollegin ins Europakommissariat mit einem völlig unnötigen Siegesgeheul über den unterlegenen Kandidaten der oppositionellen Linksdemokraten, den ehemaligen Parlamentspräsidenten Giorgio Napolitano. Dieser war selbst von Berlusconi bevorzugt worden, weil gute demokratische Tradition auch die Präsenz von Mitgliedern der Opposition in den Brüsseler Exekutivorganen verlangt. Doch dann drohte Pannella mit dem Bruch der Koalition, setzte Bonino durch und bestimmte gleich danach auch noch, wie sich seine Kandidatin in Europa zu verhalten, welche Kommission sie „zu übernehmen“ habe. Das erregte in Brüssel genau jenen Widerspruch, der Emma Bonino ihre Wunschressorts, das für Frauen- oder Migrationsfragen, verwehrte und ihr nur noch das relativ bescheidene „Kommissariat für Verbraucherrechte“ zugestand. Das liegt weitab von ihrer Kompetenz.
Getreu wie eh und je schwieg sie zu Pannellas Patzern – und behält so auch weiterhin die zähklebenden Etiketten wie „His Master's Voice“ oder „Lady Pannella“. Werner Raith
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