Ballermänner unterm Weihnachtsbaum Von Andrea Böhm

Frohe Weihnachten, Merry Christmas – und ein Halleluja auf die Shopping Mall, den künstlich temperierten und parfümierten Erlebnisraum, aus dem derzeit Berge von „Nike“-Schuhen, Computerspielen, Mountainbikes und CD- Playern abgetragen werden. Damit die Feiertage auf beiden Seiten des Atlantiks auch wirklich besinnlich werden. Eine kleine, gewissermaßen folkloristische Eigenart bei der Auswahl der Geschenke unterscheidet die Amerikaner allerdings von ihren Brüdern und Schwestern aus den anderen Konsumnationen: Unter US-Christbäumen werden auch dieses Jahr wieder unzählige Schußwaffen ausgepackt: die neue „Smith & Wesson“ für ihn, die stupsnasige „Beretta“ für sie und das kleine Jagdgewehr für den Nachwuchs.

Daß die Waffenindustrie schon vor Jahren Frauen als neue Ziel- und Käufergruppe ausgemacht hat, ist seit längerem bekannt. Zu meinem ausdrücklichen Bedauern verfängt bei vielen Geschlechtsgenossinnen der PR-Trick der Waffenlobby, daß dem Ballermann etwas immanent Emanzipatorisches, gar Feministisches anhaftet. Doch auch dieser Markt ist irgendwann erschöpft. Vorausschauend, wie die Branche nun mal ist, hat sie die nächste Gruppe ins Visier genommen: Kinder und Jugendliche.

Um die kümmert sich nicht nur zur Weihnachtszeit ganz selbstlos die „National Shooting Sports Foundation“ (NSSF), in der sich die führenden Waffenhersteller in den USA zusammengeschlossen haben. Mit über 200.000 Dollar aus dem Budget des Innenministeriums – ergo: aus der Tasche der SteuerzahlerInnen – hat die NSSF mehrere Videos zum Thema Jagdsport produziert, die sie nun kostenlos an Schulen verteilen – vor allem in Großstädten, wo bekanntermaßen besonders viel Wild erlegt wird.

Das Angenehme an der NSSF besteht darin, daß sie sich gar nicht erst die Mühe macht, ihre Ansichten zu verstecken: „Wenn Sie garantieren wollen“, heißt es in der Mitgliedszeitschrift S.H.O.T. Business, „daß auch weiterhin neue Gesichter mit neuen Scheckbüchern zu ihren Kunden werden, dann gibt es nur eines: Nehmen Sie sich die Schulen vor.“ Bleibt die Frage, in welchem zarten Alter der Nachwuchs das Durchladen und Abdrücken lernen soll. Der pädagogische Ratschlag der NSSF verdient ausführlich zitiert zu werden: „Das Alter ist nicht das entscheidende Kriterium. Manche Kinder sind mit zehn Jahren reif genug, manche mit vierzehn. Ausschlaggebend sind individuelle Reife und Verantwortungsbewußtsein. Gehorcht Ihr Kind Ihren Anweisungen? Würden Sie es zwei oder drei Stunden allein zuhause lassen, oder bedenkenlos mit einer 20-Dollar-Note zum Einkaufen schicken? Wenn die Antwort auf diese Fragen Ja ist, dann können Sie auch Ja sagen, wenn Ihr Kind sich die erste Waffe wünscht.“

Unreife Kinder allerdings könnten ebenso wie unreife Erwachsene das Waffensortiment des Haushalts gegen Geschwister, Schulkameraden, Eltern oder gegen sich selbst wenden. Für alle Waffenbesitzer, die ihre Sprößlinge nicht allein zum Einkaufen schicken, gibt es als Geschenkidee den „kindersicheren Waffenkoffer“ mit Spezialschloß. „Damit Sie“, so die Werbung des Herstellers „Buck Security Products“, „nicht mehr länger mit dem Leben Ihres Kindes spielen müssen.“