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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Liebe Freunde und Freundinnen, werte Angehörige und Angehöriginnen, Brüder und Schwestern im Herrn!

Nein, diesmal nicht! Wir bleiben hier. Wir haben uns den Einkaufswahn nicht angetan, wir tun uns die Festneurose nicht an. „Herbei, o ihr Gläubigen“, in Minden (Wstf.) von Mutter Uschi angestimmt, müßt ihr übermorgen allein singen. Und zwei Paar jener Schweinwürstl, die es seit Menschengedenken am Hl. Abend in Halmberg (Obb.) gibt, werden übrigbleiben. Die Kinderlein kommen nicht! Sie werden im Garten sitzen bei rund 36 Grad, die Zehen in den Pool hängen und Amarula (Likör aus einer Frucht, die Elefanten betrunken macht) schlürfen. Sie werden Pflaumen pflücken und frische Feigen. Sie werden in der Hängematte liegen und in die Bananenstaude hineinblinzeln ...

Den leise rieselnden Schnee. Die Eisblumen. Stille, starre Seen. Tannenbäume. Vanillekipferl und Glühweinräusche. „Warten aufs Christkind“ mit Maria Schell. Ob wir gar nichts vermissen? Na ja, ein bißchen, manchmal. Aber das fällt in die Abt. „Verlorene Kindheit“. Denn Schneegestöber, Rodelfahrten und Winterfreuden gibt's eh schon lange nicht mehr. Der Wald, die Familie, das Klima – alles nicht mehr das, was es mal war.

Soeben stürmen Happiness und Precious herein, die Enkelin „unserer“ Maid und ihre beste Freundin. Wo sind die Türchen 21 und 22? Da! Und dort! Precious zieht eine Schokokatze, Happiness einen Mond, der Pfeife raucht. Wonderful! Spätestens hier müssen wir es zugeben: In unserer Stube hängt ein Adventskalender, und zwar der geschmacksmustergeschützte von P & A aus Norderstedt! Natürlich nur für die Kids ... Neulich haben wir die beiden Kurzen in den Uno gepackt und sind zum Lichterkucken in die City von Joburg gefahren. Da umkurvten die Väter mit Kindern im offenen Schiebedach den „Tree of Lights“ und fuhren die Rissik Street fünfmal hinauf und hinunter. Weihnachtslieder schepperten aus Lautsprechern, über dem Asphalt glitzerten tausend bunte Girlanden und Neongestalten: Rudolf Rotnase, Santa Clara, Jingle Bells. Very American, alles bekannt. Dazwischen merkwürdige Motive: Die stilisierten Köpfe von Sotho, Zulu, Xhosa, Buren u. a. Volksgruppen und am Anfang der Magistrale zwei Händepaare – der schwarze Gruß und der weiße. Symbole der Versöhnung. Erste nichtweiße Weihnacht in Südafrika.

Viele schwarze Christen haben früher nicht gefeiert – aus Protest gegen die Heuchelei der weißen Christen. Es waren ihre Freßorgien, ihr Konsumrausch, ihr verlogenes X-mas. Zum Fest glitzerten die Ungleichheiten im Apartheidstaat besonders pervers. Immerhin nutzten die Boys und Maids, Knechte und Mägde die Weichgefühle der bleichen Herrschaften auf ihre Art: Zur Adventszeit gab es plötzlich drei Teams von Müllmännern, vier Doubles vom Postboten und 17 Straßenfeger, die um milde Weihnachtsgaben baten. Weil das bis heute so geblieben ist, erzürnte sich ein Leserbriefschreiber. Er könne die falschen und echten Bittsteller nicht mehr unterscheiden. Das ist die aparte Rache der ewigen Trennerei.

Singt schön. Schlagt euch die Bäuche voll. Wir denken an euch unterm Feigenbaum. Ein rohes Fest und ein gut gekochtes Neues Jahr!

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