: Uganda wartet auf die sudanesischen Flüchtlinge
■ Nach verschärften Kämpfen im Südsudan rechnet das UNHCR in den nächsten Wochen mit einer Massenflucht von bis zu einer Million Menschen nach Uganda
Kampala (taz) – Hilfsorganisationen und die Regierung in Uganda rechnen für Januar mit einer neuen Flüchtlingskatastrophe an der Grenze zum Sudan, seitdem der Krieg im Süden des Nachbarlandes zwischen den dortigen Regierungstruppen und den nach Unabhängigkeit strebenden Rebellen der Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) in den letzten Wochen wieder eskaliert ist. Nach heftigen Kämpfen um die von der SPLA belagerte Stadt Kapoeta und in anderen Landesteilen Anfang Dezember hat bereits ein Flüchtlingstreck aus dem Südsudan nach Uganda eingesetzt, der nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR täglich 500 Menschen umfaßt. Aus der Luft waren Mitte Dezember über dem Südsudan brennende Dörfer zu sehen. Der UNHCR- Vertreter in der ugandischen Hauptstadt Kampala, Ulf Kristoffersson, rechnet im kommenden Januar mit „einer sechsstelligen Zahl“ sudanesischer Flüchtlinge in Uganda – also bis zu einer Million Menschen.
Hintergrund ist die Entschlossenheit der sudanesischen Regierung in Khartum, eine „Entscheidungsschlacht“ gegen die SPLA- Rebellen zu führen, sobald die derzeitige und ungewöhnlich lange „kleine Regenzeit“ zu Ende ist. Im November erklärte der sudanesische Chefideologe Scheich Hassan el-Turabi dem kenianischen Staatschef Daniel arap Moi, der in den letzten Monaten Vermittlungsbemühungen geleitet hatte, Khartum sei entschlossen, „diese Pestbeule ein für allemal aufzustechen“. Dazu müßten die Regierungstruppen die SPLA aus drei Schlüsselstädten, darunter dem Grenzort Nimule, vertreiben.
Die SPLA ist schon dabei, Waisen und Krankenhauspatienten aus Nimule ausfliegen zu lassen und Schutzkeller anzulegen. Nach Berichten der sudanesischen Opposition haben Waffenhilfen aus dem Iran, dem Irak und dem Jemen dem Regime in Khartum neue Siegeszuversicht eingeflößt; ermutigt sei die sudanesische Militärjunta auch durch den Sieg nordjemenitischer Fundamentalisten über die separatistischen Sozialisten des Südjemen im vergangenen Juni. Dazu sind die Rebellen zerstritten: John Garangs SPLA kämpft auch mit Abtrünnigen, die von Riek Mashar angeführt werden. Gegenwärtig sind in Uganda etwa 300.000 sudanesische Flüchtlinge registriert. Das UNHCR in Kampala sieht sich in der Lage, binnen 24 Stunden weitere 50.000 Sudanesen aufzufangen, und hat Anfang Dezember jene sudanesischen Flüchtlinge ins Landesinnere umgesiedelt, die bisher im Nordwesten Ugandas nur viereinhalb Kilometer von der Grenze entfernt kampierten. Die ugandische Regierung hat nach UNHCR- Angaben ein 500 Quadratkilometer großes Gebiet im Nordwesten für eine langfristige Ansiedlung von insgesamt 81.000 Flüchtlingen freigegeben.
Zur Sorge der ugandischen Behörden über eine mögliche Massenflucht kommt ein von Politikern und Militärs geäußerter Verdacht, die bis zu 1.000 kürzlich nach Sudan geflohenen nordugandischen Rebellen der „Lord's Resistance Army“ unter dem gegen die Regierung in Kampala kämpfenden Guerillaführer Joseph Kony seien dabei, sich unter sudanesischen Fittichen neu zu organisieren und im Laufe der nächsten Monate wieder in Uganda einzumarschieren. Nach Angaben der Kirchenorganisation „Pax Christi“ wird in der südsudanesischen Stadt Juba außerdem eine „Ugandische Islamische Brigade“ aus Ex-Soldaten des früheren ugandischen Diktators Idi Amin ausgebildet, die mit Konys Rebellen in Norduganda aktiv werden soll.
„Die im Sudan stationierten ugandischen Elemente könnten Uganda angreifen“, sagte Ugandas Außenminister Rugunda Ruhakana in Kampala der taz. „Wenn das passiert, kann sich Uganda verteidigen.“ Er forderte die sudanesischen Behörden dazu auf, als Geste guten Willens „diese Elemente zu entwaffnen“. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern bezeichnete Ruhakana als „kühl“. Im Oktober hatte Uganda die an der Grenze stationierten sudanesischen Militärbeobachter ausgewiesen. Mitte Dezember überflogen sudanesische Kampfflugzeuge ugandische Dörfer in der Nordprovinz Moyo.
Daß allgemein mit einer weiteren Eskalation für Januar gerechnet wird, hängt nach Meinung mancher Beobachter möglicherweise nicht nur mit der bevorstehenden Trockenzeit zusammen, sondern auch mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Frankreich am 1. Januar 1995. Paris hat den „Verlust“ Ruandas an die von Uganda unterstützte anglophone Guerillabewegung RPF offenbar noch immer nicht verwunden, wie die demonstrative Nicht-Einladung Ruandas zum französisch-afrikanischen Gipfel in Biarritz im November zeigte, und nimmt seit der Auslieferung des Top-Terroristen Carlos durch den Sudan im August gegenüber Khartum eine eher wohlgesonnene Linie ein.
Die SPLA hat Frankreich einer engen Zusammenarbeit mit den sudanesischen Militärbehörden bezichtigt. „Pax Christi“ verweist zudem auf ein Abkommen zwischen den Regierungen des Sudan und der benachbarten, mit Frankreich eng verbundenen Zentralafrikanischen Republik. Darin seien bestehende Streitigkeiten über den Grenzverlauf und sudanesische Kriegsflüchtlinge bereinigt worden, so daß Sudan wie bereits einmal im Frühjahr 1994 seine Truppen über zentralafrikanisches Staatsgebiet in den Rücken der SPLA führen darf. Dominic Johnson
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