: Können Tornados solidarisch sein?
Grüne: Tornado-Argumentation von Regierung nur vorgeschoben / SPD verharrt im politischen Spagat / Außenminister und Hardthöhenchef informieren Ausschüsse ■ Aus Bonn Hans Monath
Mit dem Hinweis auf Angriffe amerikanischer, holländischer, britischer und französischer Flugzeuge gegen serbische Stellungen Ende November hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Grüne die technisch-militärische Argumentation der Bundesregierung zum möglichen Einsatz deutscher Kampfflugzeuge im Bosnien erschüttert.
Nach Überzeugung der Bündnisgrünen ist damit die Behauptung widerlegt, allein deutsche Tornados stünden momentan der Nato zur Verfügung, um im Fall einer Evakuierung der UN-Truppen aus Bosnien serbische Luftabwehrstellungen wirksam zu bekämpfen.
Die Minister Volker Rühe (CDU) und Klaus Kinkel (FDP) informierten gestern den Verteidigungsausschuß und den Auswärtigen Ausschuß des Bundestages über den Beschluß des Kabinetts vom Dienstag abend. Danach will die Bundesregierung im Falle eines UN-Abzugs aus Bosnien sechs bis acht Tornado-Kampfflugzeuge, Aufklärer, etwa zehn Transportmaschinen vom Typ Transall, Minensucher und Schnellboote zur Verfügung zu stellen. Auf kroatischem Boden soll in diesem Fall ein Feldlazarett errichtet werden.
In den Ausschüssen des Parlaments mußten die Minister sich gestern der Frage stellen, warum sie bislang stets argumentiert hatten, nur deutsche Tornados und US- Maschinen, die im Irak unabkömmlich seien, verfügten über Spezialsysteme zur Ortung und Bekämpfung serbischer Radarstellungen.
Die Bündnisgrünen sehen das anders: „Die Tornados sind absolut nicht notwendig“, erklärte der Abgeordnete Ludger Volmer gestern. Die Argumente seien nur vorgeschoben. Tatsächlich hatte die Bundesregierung zunächst mit technisch-militärischen Notwendigkeiten argumentiert und war erst allmählich zu einer politischen Begründung („Solidarität im Bündnis“) umgeschwenkt. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) nannte den Vorwurf der Bündnisgrünen gestern vor Beginn der Sitzung „albern“. Es bestünden sehr wohl Unterschiede zwischen den im November eingesetzten Nato-Flugzeugen und den deutschen Tornados.
Während die stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine und Heidemarie Wieczorek-Zeul sich gegen einen Tornado-Einsatz ausgesprochen hatten, verharrten Rudolf Scharping und weitere führende SPD-Politiker gestern weiter im Spagat zwischen grundsätzlicher Bejahung einer deutschen Hilfe für die UN in Ex-Jugoslawien und der Weigerung, die konkrete Anfrage zu bewerten. Mit dem Hinweis, die Ausschüsse hätten keine Entscheidung zu fällen, sondern nur Informationen entgegenzunehmen, lehnte der außenpolitische Sprecher der SPD, Karsten Voigt, eine klare Stellungnahme ab.
Nachdem die Hilfsflüge der UNHCR für Sarajevo wieder aufgenommen wurden, war auch das Regierungsargument hinfällig geworden, die deutschen Tornados seien notwendig, um humanitäre Einsätze gegen serbische Angriffe zu schützen. Über die Entsendung deutscher Kampfflugzeuge zum Schutz von UN-Truppen müßte der Bundestag erst entscheiden, falls die Vereinten Nationen sich tatsächlich aus Bosnien zurückziehen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen