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Er macht auf Diät. Wer will sich da beschweren?

Gegenüber dem Herrn mit Schlips sitzen vier der fünf anwesenden Frauen, „keine Stammgäste“, wie sie erzählen. Gemeinsam bringen sie es auf mehrere Jahrzehnte Frauenarbeitslosigkeit. Der Herr hat ihnen nichts mitgebracht und kaum etwas zu sagen. „Tolle Einrichtung hier!“ entfährt es Ihm zwischendurch. Das muntert auf.

Gestern Arbeitslosenfrühstück beim DGB, heute Obdachlosen-Suppenküche in der Kirche (13 Uhr, St.Georgs-Kirchhof 19): Vor Weihnachten macht Er auf Diät. Fehlt nur noch Sein Besuch in der Volxküche am Hafen.

Sein Kommen erzeugt kein Raunen. Einzelne gehen demonstrativ, andere der rund 60 Männer im Saal haben den hohen Besuch auch nach sechzig Minuten noch nicht bemerkt. Teilnahmslos beugen sie sich übers Essen, erwartungslos. „Wer ist hier?“

Der Mann ist klein, schlank, unauffällig. Und satt. Mit zwanzig Minuten Verspätung war er gekommen und hatte am Rande Platz genommen, um ein wenig zuzuhören. Neue Bescheidenheit in der Politik. Die Schlange, die sich Punkt zehn vor der Essenausgabe bildet, hat Er so verpaßt: ein Apfel, drei Scheiben Wurst und Käse, Brot, Kaffee, für umsonst. Wer will sich da beschweren? Zuweilen müssen Hungrige wegen Überfüllung draußen warten. fg/Foto: M.B.

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