piwik no script img

Die Müll-Mafia zockte ab

■ Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zahlreiche Hamburger Firmen wegen „umweltgefährdender Abfallbeseitigung“ Von Marco Carini

Die Staatsanwaltschaft ist möglicherweise einer der größten Müllschiebereien in der Geschichte der Hansestadt auf der Spur. Zwei Hamburger und eine mecklenburgische Firma sollen Abfälle von Hamburger Großunternehmen verschoben, falsch deklariert und illegal entsorgt haben. Auch von Bestechung ist die Rede.

In den Mülldeal verstrickt: Die Hamburger Wasserwerke, Blohm & Voss, die Shell AG und die Nordag AG. Während gegen leitende Mitarbeiter von Blohm & Voss, Nordag und Shell noch wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung ermittelt wird, wurde gegen einen Abteilungleiter der Wasserwerke bereits Anklage erhoben.

Die Initiatoren der dubiosen Mülldeals aber sind die Hamburger Firmen „Karl Böttger GmbH“, die „A.S.N. GmbH“ und das Holthusener Unternehmen „Recycling und Baustoffcenter Mecklenburg (RBM), eine Tochter der A.S.N. Auf sie konzentrieren sich die umfangreichen Ermittlungen der Schweriner Staatsanwaltschaft, die „kurz vor dem Abschluß“ stehen.

Vier Mülldeals haben die Staatsanwälte dabei im Visier:

Fall 1: Nach Informationen der Hamburger Morgenpost sollten 510 Tonnen geschredderter Holzreste eines Kühlturms der Shell AG 1992 entsorgt werden. Das preisgünstigste Angebot (298.000 Mark) machte die A.S.N. Wolf Rüdiger G., bis 1993 in Personalunion Geschäftsführer bei A.S.N., Böttger und RBM., besorgte ein Gutachten des Hamburger Umweltinstituts „Dr. Kaiser & Dr. Woltmann“, nachdem die Holzabfälle nicht mit Chemikalien belastet seien – anschließend verschwanden die Abfälle statt auf einer Deponie auf einem ungesicherten Grundstück im mecklenburgischen Holthusen, daß der RBM gehört.

Als das Schweriner Umweltamt Anfang 1993 die Holzabfälle untersuchen läßt, bietet Wolf Rüdiger G. nach Angaben der Polizeidirektion Schwerin einem Mitarbeiter des beauftragten Umweltanalysebüros 50.000 Mark an. Er solle das Gutachten umschreiben, in dem zu lesen ist, daß die Holzabfälle mit Schwermetallen und Pentachlorphenyl (PCP) verseucht sind.

Zweiter Fall: Mindestens 40 Tonnen „Rostsandgemisch“ der Blohm & Voss-Werft wurden von der RBM 1992 ebenfalls nach Holthusen gekarrt. Wolf-Rüdiger G. kündigte an, die darin befindlichen Metallspäne einer Verhüttung zuzuführen, während der Sand als Baustoff verwendet werde. Doch Metall und Sand wurden weder voneinander getrennt und recycelt noch deponiert. Der Vorwurf gegenüber Blohm & Voss: Das Unternehmen habe den Rostsand mit der RBM einer Firma übergeben, die für die Entsorgung solcher Abfälle nicht zugelassen war.

Dritter Fall: 3.000 Tonnen mit Teer und Altöl verunreinigte Erde müssen die Hamburger Wasserwerke Anfang 1992 loswerden – die „Karl Böttger GmbH bekommt den Zuschlag. Wieder ist es das Institut „Dr Kaiser und Dr. Woltmann“ daß dem verseuchten Erd-reich ein Unbedenklichkeits-Zertifikat verpaßt. Als unbelasteter Mutterboden deklariert, landet die Giftfracht auf der Deponie von Lübz in Mecklenburg.

Fall vier: Die NORDAG GmbH, die seit 1993 den Hamburger Straßenkehricht behandelt und dabei in zwei Fraktionen getrennt, beauftragt mit der Entsorgung der sogenannten Leichtgut-Fraktion die mecklenburgische Firma „MUTAG“. Deren Geschäftsführer heißt Wolf Rüdiger G. Die als harmlose „Garten- und Parkabfälle“ deklarierte Müllfracht wird von der MUTAG ohne Genehmigung auf einer Fläche des Ziegelwerks Muggerkuhl (Mecklenburg) gelagert, obwohl sie der Nordag gegenüber ganz andere Ablagerungsflächen genannt hat. Bei einer Analyse stellt sich heraus, daß sich Wolf Rüdiger G. offenbar abermals ein Gefälligkeitsgutachten besorgen konnte, daß den Kehricht als unbelasteten Kompost ausweist. Die Analytiker der „Nordtest“ hingegen finden hohe Konzentrationen an Schwermetallen und Halogenverbindungen.

Siehe auch Bericht S. 6.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen