: Bremen und umzu „tote Zone“?
■ Wirtschafts-Experten beschrieben trostlose Lage der Region Bremen-Niedersachsen / Abkoppelung droht weiterzugehen, wenn nicht ...
Die Region Bremen/Niedersachsen „steht aufgrund ihrer wirtschaftsgeografischen Lage in Gefahr, in eine tote Zone“ zu geraten - zwischen den lagebegünstigten und wirtschaftsstarken Regionen Hamburg, Hannover und der Rheinschiene. Dies ist die Quintessenz eines 300 Seiten starken Gutachtens, daß der Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung (BAW) gemeinsam mit dem Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung (NiW) erarbeitet hat. „Tote Zone“ würde bedeuten, so die an die jeweiligen Wirtschaftsressorts angebundenen Wissenschaftler Dr. Elsner (Bremen) und Dr. Jung (Niedersachsen), „daß die Güter aufgrund der hervorragenden, überregional bedeutsamen Verkehrsinfrastrukturen hindurchtransportiert“ werden. Die Schwächen sind von dem Institut des bremischen Wirtschaftsressorts mehrfach zusammengetragen worden, nun sind die Daten für das niedersächsische Umland hinzugefügt: „Mit den Problemdiagnosen ländlich-negativ für Teilräume der Region und verdichtet-gefährdet für die Kernstadt Bremen liegt die Region nach vorherrschenden Analysen und Prognosen exakt in der Gruppe der Stagnations- und Problemregionen des Nordens“. Das „Zentrum“ der Region, Bremen, müßte eigentlich die Entwicklungsdynamik der gesamten Region vorantreiben. Bremen kann das aber nicht, ist im Vergleich zu anderen Ballungsräumen sogar überdurchschnittlich stark „ausgeblutet“. Bremen konkurriert mit Verden, um Industrieabwanderungen zu verhindern, und mißt sich nicht an Hannover oder Hamburg. Stuhr und Achim stehen blendend da, jeder Steuerzahler, der über die Landesgrenze umzieht, füllt die Kassen in Hannover zu Lasten der Bremens.
Seit Anfang der 70er Jahre koppelt sich die Region vom Bundesdurschschnitt ab, sagen die Wirtschaftsforscher. Alle Indikatoren machen das deutlich. Für die wesentlichen städtischen Kerne der Region ist eine „Überalterung“ festzustellen, arbeitsfähige Menschen wandern ab. Arbeiterlöhne, Angestelltengehälter und Pro-Kopf-Einkommen liegen unter Bundesdurchschnitt. Früher war wenigstens das noch ein „Standortfaktor“ und hat sich positiv ausgewirkt, seit dem Mauerfall ist aber die osteuropäische Lohnkonkurrenz da. Vergleichsweise weniger Frauen haben in der Region Arbeit. Großbetriebe dominieren, deren Entscheidungszentralen anderswo liegen. Mittelständische Betriebe investieren wenig in die Forschung , überhaupt sind die hochgezüchteten Technologien der Luft- und Raumfahrt wenig industrienah. Der Dienstleistungssektor ist unterdurchschnittlich und wird den Abbau von Industriearbeitsplätzen bei weitem nicht kompensieren können. Und die Konjunktur der deutschen Vereinigung, die zeitweise die Statistiken verbesserte, bringt „nicht dauerhaft überdurchschnittliche Wachstumsimpulse für die Region mit sich“, stellen die Wissenschaftler inzwischen fest.
Was tun?.Das ist naturgemäß nicht die Domäne der Wissenschaftler. Entweder es passiert etwas oder nicht, könnte man boshaft ihre Resumee zusammenfassen. Im Gutachten-Deutsch: „Die wirtschaftlichen Perspektiven der Unterweserregion liegen zwischen anhaltender und sich vielleicht noch verschärfender Abkoppelung ... und einem Entwicklungsschub...“ Oder so: „Intraregional muß die Handlungsfähigkeit der Region durch ein gestuftes Konzept der teilräumlichen Funktionsteilung und Kooperation hergestellt werden...“ Bei der Kooperation der staatlichen Verwaltungen gibt es „überdurchschnittliche Defizite“. In Zukunft sollten bei Planungen „regional abgestimmt“ werden. NiW-Leiter Jung begründete das etwas salopp: „Ein Kampf zwischen Bremen und Verden ist ein innerregionaler Verteilungskampf, der die Region keinen Millimeter voranbringt.“ In dem Gutachten-Papier steht als ein Fazit fünfjähriger Arbeit unter dem Titel „gemeinsame Landesplanung“: „Die Region muß in wirtschaftsstrukturpolitischer Hinsicht als handelnde Einheit erst noch entstehen.“ K.W.
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