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Der Diamantenzar tritt ab

Harry Oppenheimer, Chef des internationalen Diamantenhandels und Herr über 1.300 Firmen, zieht sich ins Privatleben zurück  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Die beiden Schmalseiten des Konferenzraumes in 36 Stockdale Street in der südafrikanischen Stadt Kimberley werden von zwei spiegelgleichen offenen Kaminen geschmückt. An den Wänden hängen die Ölporträts der verstorbenen Größen des südafrikanischen Diamantenhandels. In dem holzgetäfelten Saal in der Stadt rund 400 Kilometer südwestlich von Johannesburg wurde einst das heute weltumspannende Diamantenkartell De Beers gegründet. In Kimberley begann Südafrikas Diamantenboom. In dem heute verschlafen wirkenden Städtchen wurde 1908 Harry Frederik Oppenheimer geboren. Hier begann er seine Karriere als Diamantensortierer. Und in Kimberley verkündete der 86jährige Diamantenzar vor einem ausgewählten Kreis von Gästen, daß er am 27. Dezember die Kontrolle über das letzte Rohstoffkartell der Welt an seine Nachfolger übergeben wird.

Nach 60 Jahren gibt Harry Frederik Oppenheimer seinen Sitz als Direktor im Vorstand von De Beers Consolidated und der De Beers Centenary ab. Die erste Firma kontrolliert den Diamantenhandel in Südafrika, die zweite mit Sitz im schweizerischen Luzern kümmert sich um die internationalen Geschäfte. Oppenheimer, Herr über 1.300 Firmen und rund 80 Prozent des weltweiten Diamantenhandels, wird sich endgültig auf sein Familiengut in Johannesburg zurückziehen. Das Oppenheimer- Imperium betreibt fast in jedem Land dieser Welt Geschäfte, und zum Abschied trotzte Harry Frederik Oppenheimer noch einmal all denen, die den Untergang seines „Syndikats“ prophezeien: „Ich lese überall, daß der Diamantenhandel und De Beers mit ihm zerstört wird. Nichts davon wird passieren.“

Diamonds are forever“ – Diamanten halten ewig – lautete der Werbespruch, mit dessen Hilfe einst der Diamantenkonsum in den USA angekurbelt wurde. De Beers und das Familienimperium, davon ist Oppenheimer überzeugt, werden es den „Tränen Gottes“ gleich tun. Schwierigkeiten im weltweiten Diamantenhandel mag es geben. „Es war immer so“, wischt Oppenheimer heute lakonisch die Probleme des Kartells beiseite, das über die „Zentrale Verkaufsorganisation“ (CSO) in London den Welthandel kontrolliert. Zumindest die familiäre Erbfolge ist gesichert. Sohn Nikky leitet die CSO und wird das Imperium wohl bald übernehmen.

Ein ebenso gewiefter wie ausgekochter Geschäftsmann, beruft sich HFO, wie Oppenheimer in den Fluren seines Johannesburger Hauptquartiers in der 44 Main Street kurz genannt wird, just auf jenen „Koloß“, der einst für die britische Königin Victoria ein Kolonialreich von Kapstadt bis Kairo errichten wollte – und ganz nebenher zu einem der reichsten Männer Afrikas wurde: „Ich bin glücklich, daß ich das Unternehmen in den Händen von Männern lasse, die zwar wissen, daß ihre erste Pflicht darin besteht, Geld für die Aktienteilhaber zu verdienen, die aber auch wissen, daß zu De Beers mehr gehört – Männer, die von Cecil Rhodes als ,phantasievolle Teilhaber‘ beschrieben worden wären.“

Oppenheimer machte nie einen Hehl daraus, daß der britische Politiker und Geschäftsmann Cecil Rhodes zu seinen Vorbildern gehörte. Denn schließlich gründete der schwergewichtige ehemalige Premier der Kapprovinz in Südafrika 1888 jenes De-Beers-Monopol, das heute die Welt umspannt. Eine Nachbildung des Schecks über fünf Millionen Pfund, mit denen die Konkurrenz aufgekauft wurde, hängt in De Beers' Allerheiligstem in der Stockdale Street – nur ein paar Kilometer von jenem berühmten wie berüchtigten „Loch von Kimberley“ entfernt, aus dem Ende des letzten Jahrhunderts unter weißer Aufsicht Tausende von schwarzen Arbeitern mit Seilzügen die mit Diamanten durchsetzte Erde ans Tageslicht beförderten.

Auf 21 Milliarden US-Dollar schätzt der nordamerikanische Autor Stefan Kanfer in seinem Buch „The Last Empire“ das Vermögen der deutstämmigen Oppenheimers. 8,6 Prozent Vorzugsaktien reichten, um über De Beers und den einst mit deutschem Kapital gegründeten Konzern Anglo- American die Kontrolle über ein Imperium unglaublichen Ausmaßes auszuüben. Denn die Oppenheimers kontrollieren nicht nur den weltweiten Diamantenhandel. 43 Prozent aller Aktien, die an der Börse von Johannesburg gehandelt werden, gehören Anglo-American. Der Konzern besitzt ein Drittel aller Goldvorkommen in Südafrika, ein Zehntel der Weltvorkommen, und beherrscht weltweit den Handel mit Platin, dem Grundstoff, der für Abgaskatalysatoren gebraucht wird.

Präsident Nelson Mandela ließ keine Zeit verstreichen, als er 1990 aus 27jähriger Haft entlassen wurde. Einer der ersten weißen Geschäftsleute, die er damals traf, war Harry Oppenheimer. Und die Grundzüge des „Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramms“ (RDP) diskutierte Mandela zuerst mit Harry Oppenheimer, bevor sie zur politischen Plattform der Anti- Apartheid-Organisation erhoben wurden.

Dabei traute der Tycoon keineswegs den Absichten des ANC. Über 50 Prozent der Einnahmen von Anglo-American werden in US-Dollar außerhalb Südafrikas verdient. Und De Beers verringerte systematisch die Menge der in Südafrika geschliffenen Steine. Statt dessen wurden Rohdiamanten direkt an die CSO geliefert. Der Grund: Angst vor politischer Instabilität am Kap. Hartnäckig weigern sich De Beers und Anglo- American außerdem, dem Staat Südafrika die Mineralrechte abzutreten – obwohl in den Nachbarländern Botswana und Namibia längst 50 Prozent der Vorkommen in den Besitz der dortigen Regierungen übergegangen sind.

Das Geschäft, daran ließ Harry Oppenheimer nie einen Zweifel, steht an allererster Stelle. Er ließ sich auch durch ideologische Barrieren nicht daran hindern, dieses Prinzip uneingeschränkt zu verfolgen. In Südafrika lebten Politiker im Wahn des „total onslought“, des totalen Angriffes durch den Weltkommunismus, in den USA regte sich der McCarthyismus, als Oppenheimer 1955 in aller Stille gen Moskau aufbrach, in die Hauptstadt jener Sowjetunion, die damals die Weltrevolution vorantreiben wollte. Die massiven Diamantenfunde im sibirischen Yakutia bedrohten die Preise und damit die Kontrolle von De Beers über den Diamantenhandel.

Harry Oppenheimer konnte die Herrscher in Moskau von jenem Grundsatz überzeugen, der bis heute alle Unternehmer und Händler in der festverschworenen Diamantengemeinde eint: Nur ein funktionierendes Kartell kann hohe Preise garantieren. Die Sowjets machten mit. In den kühlsten Zeiten des Kalten Krieges wurde Harry Oppenheimer über Jahre zum wichtigsten Devisenbringer der UdSSR. Ende der 70er Jahre brachte der Geheimvertrag mit Moskau immerhin gute 500 Millionen US-Dollar jährlich.

Der Diamantenzar studierte einst an der Universität von Oxford. Seitdem herrscht im Familienunternehmen die eherne Faustregel: Wer bei De Beers etwas werden möchte, sollte tunlichst das gepflegte Englisch sprechen, das in der Universitätsstadt gelehrt wird; und selbstverständlich auch den leichten Akzent kultivieren, der die Absolventen der Eliteschule kennzeichnet. Wie es im Diamantenhandel üblich ist, lernte auch Oppenheimer das Geschäft mit den Glimmersteinen von der Pike auf. Er fing an als Diamantensortierer in Kimberley. Schon zehn Jahre später stieg er zum Direktor bei De Beers auf. Seinem ersten Schwiegersohn schenkte er zur Hochzeit den ersten Maserati in Südafrika. In Kimberley züchtet er Vollblutrennpferde. Über Jahre hinweg war er der einzige Finanzier der Progressive Party, deren einzige Parlamentarierin Helen Suzman jahrelang dem Apartheid- Regime die Stirn bot.

Doch die ärmlichen und zum Teil ausgesprochen elenden Bedingungen, unter denen Tausende von schwarzen Arbeitern in den Gold- und Diamtenbergwerken schufteten, verbesserten sich erst, als massive Proteste den Arbeitsfrieden zu zerstören drohten.

„Harry Oppenheimer hat einen unumstößlichen Grundsatz: Es muß funktionieren“, beschreibt ein Johannesburger Börsenmakler die Geschäftsprinzipien des Tycoons. Deshalb hielt Oppenheimer nichts vom südafrikanischen Apartheid-System. Deshalb aber auch erschien ihm lange Zeit das Prinzip „One man one vote“ für Südafrika als Horrorvision. Und deshalb tun sich Anglo-American und De Beers in Südafrika bis heute schwer mit der „affirmative action“, mit deren Hilfe Vertreter von Südafrikas schwarzer Bevölkerungsmehrheit in die Vorstandsetagen einziehen sollen. „Oppenheimer hat sogar mit Regierungsleuten des ANC gesprochen“, weiß der Börsenmakler, „aber er hat niemanden gefunden, den er für geeignet zum Manager hält.“

In den USA versuchen die Behörden seit Jahren, dem Diamantenzar das Handwerk zu legen. Das Kartell verstößt gegen die dortige Anti-Trust-Gesetzgebung. Dies könnte sogar zum Anfang des Endes des Weltkartells werden. Denn die Firma „Broken Hill Properties“, der wichtige Diamantenvorkommen in Kanada gehören, hat ihren Hauptsitz in den USA – und kann daher die geförderten Diamanten nicht über die CSO in London vertreiben.

Gleichzeitig kommen aus Yakutia nun wieder Ströme von Diamanten. Die Russen vermarkten zwar 95 Prozent ihres Exports über De Beers. Aber immer mehr Steine fließen auf den freien Markt. De Beers ist gezwungen, die überzähligen „Tränen Gottes“ aufzukaufen – im letzten Jahr ein Kostenpunkt von rund 500 Millionen US-Dollar. Dabei leidet De Beers immer noch unter den Folgen einer Krise aus dem Jahr 1992. Fallende Nachfrage und ein Überangebot aus Angola sorgten damals für eine einzigartige Krise in der Nachkriegsgeschichte des Diamantenhandels. Das Imperium mußte die garantierten Aufkaufquoten um ein Viertel senken. Die Börsenkurse purzelten.

Immer noch liegen die Quoten 15 Prozent niedriger als vor 1992. Und die Vorräte in den Tresoren des Syndikats schwellen an. De Beers Lagerbestände werden auf vier bis fünf Milliarden Dollar geschätzt, der Marktwert dürfte bei sieben liegen. In den Vorratskammern der Diamantenschleifer in Antwerpen, New York, Tel Aviv, Bombay und Bangkok liegen zusätzlich Diamanten im Wert von sieben Milliarden auf Halde. Die russischen Reserven werden auf weitere sechs bis sieben Milliarden geschätzt. Edelsteine im Wert von rund sieben Milliarden sind nötig, um den Handel nicht absterben zu lassen. Bleibt ein Diamanten- Überhang von zehn Milliarden, der zu einer ernsten Bedrohung für De Beers heranwachsen könnten.

„Wir alle,“ so sagte 1992 ein Ingenieur am Cuango-Fluß in Angola, „haben ein Interesse am Fortbestehen des Kartells.“ Sonst könnten sich Diamanten als das herausstellen, was in dem Buch „The Rise and Fall of Diamonds“ als „Diamantenerfindung“ bezeichnete: Glitzernde Steinchen mit künstlich überhöhtem Wert. Das Buch ist aus den Regalen von Buchhändlern verschwunden – angeblich kaufte De Beers die komplette Auflage auf und sicherte sich die Veröffentlichungsrechte. Denn auch Harry Oppenheimer weiß: Diamanten halten nicht ewig.

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