: Solingen: Die Spur der Pannen
■ Als das BKA kam, waren viele Spuren schon zerstört
Düsseldorf (taz) – Als der Brandsachverständige des Bundeskriminalamtes (BKA), Peter van Bebber, am Nachmittag des 29. Mai 1993 am Tatort des mörderischen Brandanschlags in Solingen eintraf, da fand er eine schon „recht aufgeräumte Brandstelle“ vor. So etwas habe er zuvor nie in seinem Berufsleben erlebt, schilderte der BKA-Experte gestern im Düsseldorfer Gericht seinen ersten Eindruck am Brandort, 14 Stunden nach dem Anschlag. Verantwortlich dafür war Paul Corall, ebenfalls Brandsachverständiger und in dieser Funktion von der Wuppertaler Staatsanwaltschaft noch in der Brandnacht zum Tatort gerufen.
Corall räumte gestern vor Gericht ein, daß er vor dem Eintreffen des BKA-Experten den Brandschutt am unmittelbaren Brandort schon mit einem Wasserstrahl entfernt hatte. Ans Licht gekommen ist dieser schwerwiegende Fehler nur durch einen Zufall. Vor einigen Wochen glaubte sich der Sachverständige während einer Sitzungspause auf dem Flur des Gerichtes gänzlich unbeobachtet und flüsterte einem weiteren Sachverständigen ins Ohr: „Ich habe da einen Fehler gemacht, aber hauen Sie mich bitte nicht in die Pfanne.“ Die Mutter eines der Angeklagten schnappte diese Bemerkung auf und gab sie weiter.
Doch es war nicht der einzige Fehler des Gutachters Corall. Glaubt man seiner Schilderung, dann hat er im Eingangsbereich des abgebrannten Hauses unmittelbar nach seinem Eintreffen deutlich Benzingeruch festgestellt. Eine Probenentnahme mit dem sogenannten Dräger-Röhren habe diesen Befund durch eine entsprechende Verfärbung bestätigt. Doch dieses Teströhren vergaß der Gutachter im Brandschutt. Zugleich versäumte er es, weitere Zeugen zur Bestätigung des Benzingeruchs herbeizuziehen. Das hat schlimme Folgen, denn nun muß das Gericht in mühsamem Expertenstreit den Einsatz von Brandbeschleunigern und den Brandverlauf klären – zweifelsfreier Nachweis über den Einsatz von Brandbeschleunigern ist nicht mehr zu gewinnen.
Nach Auffassung des BKA- Sachverständigen sprechen „Brandspurenbild und Brandverlauf“ zwar dafür, doch der Gutachterstreit schleppt sich weiter – bis ins nächste Jahr. J. S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen