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Magere Zeiten im Osten – halbfette im Westen

■ Zwar steigen die Armutsraten derzeit, sind aber niedriger als vor zehn Jahren

Berlin (taz) –Die Einkommensunterschiede in der Gesellschaft vergrößern sich – sind aber im Westen noch nicht wieder so groß wie vor zehn Jahren. Dies läßt sich aus dem neuesten Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) schließen. Danach hatten im Jahre 1993 im Westen 11,3 Prozent der Bevölkerung weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung. Nach EU-Standard gilt dies als „arm“. Im Jahr davor waren nur zehn Prozent der westdeutschen Bevölkerung in diesem Sinne arm. 1984 hatte laut DIW die Armutsrate bei 12,6 Prozent gelegen.

Die Bezugswerte bestimmen sich nach den ermittelten Haushaltseinkommen, die nach der Haushaltsgröße gewichtet wird. Für einen Haushaltsvorstand gilt dabei im Westen ein monatliches Einkommen von 1.888 Mark als Durchschnittswert. Ein Alleinstehender rutscht also mit einem Netto-Einkommen von weniger als 944 Mark unter die Armutsgrenze. Für eine vierköpfige Familie mit Vorschulkindern errechnet sich dagegen ein Durchschnittseinkommen von 5.286 Mark, die Armutsschwelle liegt also bei 2.643 Mark.

Die Art der Berechnung hat zur Folge, daß insbesondere größere Haushalte leicht unter die entsprechende Armutsgrenze fallen. Überdies sind nach Berechnungen des DIW-Mitarbeiters Peter Krause insbesondere Ausländer stark betroffen. 1992 etwa lag die Armutsrate bei deutschen Haushaltsvorständen bei 8,9 Prozent, bei ausländischen dagegen bei 24,5 Prozent.

Je nachdem, welchen Durchschnittswert man zugrunde legt, läßt sich die Armut in Ostdeutschland bewerten. Im Vergleich zu den ostdeutschen Durchschnittseinkommen ist die Armutsrate von 3,5 Prozent im Jahre 1990 auf voraussichtlich 8,9 Prozent in diesem Jahr gestiegen. Der Grund für die immer noch relativ niedrige Rate ist klar: Im Osten sind die rechnerischen Einkommensunterschiede noch nicht so groß, vor allem, weil eine Schicht der sogenannten Spitzenverdiener fehlt. Hier fällt eine vierköpfige Familie mit Vorschulkindern schon bei einem verfügbaren Einkommen von weniger als 1.926 Mark unter die Armutsgrenze.

Im Vergleich zum westdeutschen Durchschnittseinkommen ist die Armut in Ostdeutschland allerdings gesunken: die Raten fielen hier von 26,7 Prozent (1990) auf geschätzte 15,6 Prozent in diesem Jahr. Ganz einfach deswegen, weil die absoluten Einkommensbeträge im Osten deutlich angestiegen sind.

Barbara Dribbusch

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