: Umberto Bossi
Den Mann als Enfant terrible der italienischen Politik zu bezeichnen, wäre eine glatte Unterschätzung seiner Fähigkeiten. Selbst all die Beschimpfungen, die er sich im Laufe der gut zehn Jahre politischer Aktivität eingefangen hat, reichen zusammen nicht aus, ihn zu beschreiben. So, wie Umberto Bossi, 53, Vater zweier Kinder, die italienische Politik durcheinanderwirbelt, hat das in der Nachkriegszeit noch niemand geschafft.
Privat wie politisch ist Bossi ein Widerspruch in sich. Lange Zeit hat er den italieninternen Rassenhaß durch Beschimpfungen der „terroni“, der Südstaatler geschürt, um dann eine Frau aus Kalabrien zur Lebensgefährtin zu nehmen. Politisch hat er Pakte mit den von ihm vordem verteufelten Christdemokraten geschlossen, um sie just in dem Augenblick, in dem die erfreuten Konservativen den Springteufel aus dem Norden gebändigt glaubten, die Absprache zu annullieren. Vor den Wahlen rief er ein ums andere Mal „Mit den Faschisten nie, nie, nie“, um dann in eine Koalition mit ihnen einzutreten und diese dann aufzukündigen, als sich Regierungschef Silvio Berlusconi nach einem mehrtägigen Urlaub Bossis auf den Urlaubsdatschen des Ministerpräsidenten lobend über die „Loyalität“ seines Mailänder Landsmannes verbreitet hatte.
Quälerische Selbstzweifel sind Bossi fremd. Wahrscheinlich hat der Mann schlicht und einfach eine Grundbeschaffenheit der italienischen Politik ausgenutzt: die Neigung, Aufstieg und Durchsetzung vorwiegend durch immer neue Pakte und deren Brüche zu bewerkstelligen. Sempre in cerca di un posto migliore, immer auf der Suche nach einem noch besseren Platz, wie der notorische Spruch heißt.
Der Springteufel aus der Lombardei Foto: L. Senigalliesi
Vielleicht wäre Bossi freilich trotz all seiner Skrupellosigkeit ein Quertreiber minderer Qualität geblieben, wäre er nicht just in einem Augenblick an die Oberfläche geschwommen, wo seine Eigenschaften zu historischen Qualitäten wurden: Die Zerstörung der bis dato herrschenden Eliten, angenagt durch die Wirtschaftskrisen und gebeutelt durch die Korruptionsermittlungen, war weitgehend Bossis Werk, indem er die alten Kommandanten als unfähige, nur auf Posten und Macht spitzende, zum Pakt mit jedem Teufel bereite Nichtsnutze vorführte. Eine Tat, die wahrscheinlich wirklich nur einer mit dem Charakter eines Beelzebub vollbringen konnte. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen