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Ruhige Weihnacht in Sarajevo

■ Kämpfe um Velika Kladusa werden fortgesetzt, weil Waffenruhe nicht für abtrünnige Muslime gilt / Bosniens Präsident droht daher die bis zum Jahreswechsel geltende Feuerpause vorzeitig zu beenden

Sarajevo (AFP/taz) – Kein friedliches, aber ein verhältnismäßig ruhiges Weihnachten für die Menschen in Bosnien-Herzegowina: Der am Samstag in kraft getretene Waffenstillstand wurde nach Angaben der UN-Schutztruppen bis gestern weitgehend eingehalten. Im Park gegenüber dem Präsidentenpalast rodelten Kinder, ab und zu war sogar ein Skiläufer zu sehen. Die Ausgangssperre wurde aufgehoben. Die UNO nutzte die Ruhe, um ihre Treibstoffvorräte zu ergänzen. In der überfüllten Kathedrale von Sarajevo hielt der bosnische Erzbischof Vinko Puljić an Heiligabend die Mitternachtsmesse ab. Puljić sagte, er hoffe, daß diese dritte Kriegsweihnacht die letzte sein möge. An der Messe nahmen neben Katholiken auch Muslime, orthodoxe Serben und Juden teil. Am Tag darauf wurden zwei Menschen durch Schüsse von Heckenschützen verletzt.

Gefährdet wurde die Waffenruhe allerdings durch Gefechte im Gebiet um die nordwestbosnische Stadt Velika Kladuša. Die dort kämpfenden Anhänger des abtrünnigen muslimischen Führers Fikret Abdić sind am Abkommen über die Feuerpause nicht beteiligt. Durch die Kämpfe bei Velika Kladuša wurde ein UN-Konvoi mit Hilfsgütern blockiert.

Wegen der Gefechte bezeichnete Bosniens Präsident Alija Izetbegović die gesamte Waffenruhe als „gefährdet“. Wenn die Angriffe nicht aufhörten, würden die Regierungstruppen an anderen Fronten den Kampf wieder eröffnen. Und auch Verhandlungen über den geplanten längerfristigen Waffenstillstand würden unter diesen Bedingungen nicht aufgenommen werden. Bosnische Berichte über Angriffe auf die UN-Schutzzone Bihać selbst wurden von der Unprofor aber nicht bestätigt.

Die Feuerpause gilt entsprechend der vom früheren US-Präsidenten Jimmy Carter vermittelten Vereinbarung zunächst bis zum Jahreswechsel. Bis dahin sollen Einzelheiten über eine anschließende viermonatige Waffenruhe geklärt werden. Der Unprofor- Kommandeur für Bosnien, Rose, fuhr deswegen gestern zu Gesprächen mit der bosnisch-serbischen Führung nach Pale. Auch sollte Rose in Sarajevo mit Vertretern der bosnischen Regierung zusammentreffen. Ob die bosnische Regierung trotz der Warnung Izetbegovićs verhandlungsbereit war, blieb zunächst unklar.

Die Bosnien-Kontaktgruppe begrüßte das Inkrafttreten des Waffenstillstands. Weitere Verhandlungen wurden jedoch an die Bedingung geknüpft, daß der Friedensplan der Kontaktgruppe von den bosnischen Serben ausdrücklich als Gesprächsgrundlage akzeptiert wird. thos

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