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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Granny kommt zu Besuch. Granny heißt eigentlich Maria und ist eine Bäuerin aus dem tiefsten Oberbayern. Sie fliegt zum ersten Mal in ihrem Leben, weil sie unbedingt wissen will, ob der Bub im sternenfernen Südafrika auch gut untergebracht ist. „A bißl Angst hob i vor zwei Sach'n“, gibt sie am Franz-Josef-Strauß-Flughafen zu. Welche das wären? „Vorm Fliegen und vor de Schwarz'n.“ Aber die Ängste waren spätestens dann verflogen, als sie in Johannesburg landete und Happiness sah. Happiness ist die 4jährige Enkelin „unserer“ Maid Princess. Sie hat Maria gleich Granny getauft und turnte schon am zweiten Tag auf ihr herum. Es sollte eine Freundschaft ganz besonderer Art werden. Um es vorweg zu nehmen: Der Abschied war die Hölle. Granny spielte ernsthaft mit dem Gedanken, Happiness mit zu den Kühen und Hühnern und indischen Laufenten auf den Bauernhof zu nehmen, und Happiness führte einen fürchterlichen Terz auf, als die Ersatzoma wieder verschwand. „Wo ist Granny!?“ schrie sie am Morgen nach dem Abflug. Sie stand wie jeden Tag Schlag neun in ihren türkisgrünen Segeltuchschühchen auf der Veranda. Das war die übliche Startzeit für gemeinsame Exkursionen. Happiness hüpfte voraus, Granny schlenderte hinterdrein. Und so zog das schwarz-weiße Duo wie das leibhaftige neue Südafrika durch ein nicht ungefährliches Viertel und erlebte die irrsten Dinge. Verdutzt schauten die weißen Madams und die schwarzen Maids über die Gartenzäune: Ein solches Tandem hatten sie in Orange Grove noch nie gesehen. Happiness plapperte natürlich ununterbrochen Xhosa, die weiße Granny redete bayerisch. Es gab keinerlei Sprachprobleme, offenbar sind die beiden Idiome irgendwie verwandt.

Happiness erklärte Granny zu ihrer wahren Großmutter und verwarf Princess, die leibliche Oma. Am Ende dieser glücklichen Tage mußte sie übel ausgetrickst werden. Noch einmal spazierten die zwei Freundinnen in den Park. Die Kleine tanzte nichtsahnend unter dem violetten Jacaranda-Baum herum und schnitt Grimassen; die Große saß auf der Parkbank und hatte Tränen in den Augen.

Dann ging alles ruck,zuck! Happiness verschwand unter der Bettdecke, Granny im Jumbo-Jet. „O mei“, sagte sie beim Abschied, „ich tät dös Mädel so gern adoptieren.“ Und vor den Schwarzen habe sie kein bissl Angst mehr. „Dös san die viel netteren, freundlicheren Menschen.“ Im nächsten Jahr will sie wieder ans Kap fliegen, „hunderprozentig“. Maria weint, die Boing 747 hebt ab.

P.S. Drei Wochen später erhält Happiness ein Packerl aus Bayern. Drin sind ein knallgelber Stofflöwe sowie ein kleiner Knipsfernseher mit Bildern von Dornröschen. „Granny ...“ piepst Happiness und drückt den Löwen ganz feste.

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