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Avanti Dilettanti

■ Grünen-Kritik: S-Bahn-Chef Nawrocki schenkt dem Bund 80 Millionen Mark / Gelder "dilettantisch" verloren

Beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrsnetzes in Berlin macht die Deutsche Bahn AG nicht Tempo, sondern zieht die Bremsleine. Anstatt die sanierte S25-Bahnstrecke nach Lichterfelde-Ost endlich in Betrieb zu nehmen, plane die Bahn AG, den rund fünf Kilometer langen Abschnitt erst im Frühjahr 1995 zu eröffnen, so die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Zugleich hätten es die Eisenbahner um S-Bahn-Chef Axel Nawrocki versäumt, 80 Millionen Mark zugewiesener Investitionsmittel für 1994 in die Modernisierung sowie den Neubau der Berliner S-Bahn zu stecken. Das Geld fließt nun an den Bund zurück, der es an andere Bundesländer, etwa an das Land Nordrhein- Westfalen, weiterleitet.

Angesichts der knappen Geldmittel zur Sanierung des maroden S-Bahnrings bezeichnete Michael Cramer, Verkehrsexperte der Grünen-Fraktion, die Rückgabe von 80 Millionen Mark als „verkehrspolitischen Dilettantismus“. Cramer: „Mit den 80 Millionen wäre zum Beispiel der Lückenschluß zwischen Treptower Park und Neukölln, die Verlängerung von Westend über Jungfernheide und Beusselstraße zum S-Bahnhof Westhafen machbar gewesen.“

Mit dem Betrag hätten zusätzlich noch andere Strecken oder die S-Bahnhöfe Kolonnen- und Oderstraße gebaut werden können. Statt den notwendigen Nachholbedarf anzugehen, herrsche dort Baustopp. „Strafverschärfend“, so Cramer, sei zudem, daß 1992 schon 25 Millionen Mark zurückgegeben werden mußten. Schützenhilfe erhielt der Grünen-Politiker von Karl Hennig, Referent des Verkehrssenators, der der Bahn mangelndes Planungsverständis vorhielt. Der Senat habe – ohne Erfolg – versucht, die Gelder umzuschichten.

Darüberhinaus forderte Cramer erneut die Inbetriebnahme der S 25 nach Lichterfelde-Ost. Vorgesehen war, die Strecke 1993 zu eröffnen. Fertig seien, so Cramer, die Gleise und die Bahnhöfe. Die Stromkabel seien verlegt. Allein die Arbeiten an den Signalanlagen und bei der Stromversorgung müßten noch beendet werden. Die Stromversorgung könne innerhalb weniger Tage mit einem „mobilen Unterwerk“ gewährleistet werden. „Doch es geschieht nichts“, sagte Cramer. Er warf der Bahn vor, an der Verbesserung des Nahverkehrs nicht interessiert zu sein. Die Streckenöffnung sei für sie „lästig“. Erst mit dem Fahrplanwechsel im Frühjahr strebe sie den laufenden Verkehr an.

Nicht gelten lassen wollte Irene Liebau, Sprecherin der Bahn, die Kritik Cramers. Weder seien die Arbeiten für das Unterwerk abgeschlossen, noch die für das Stellwerk beendet. Außerdem müßten zusätzliche Weichenverbindungen geschaffen werden. „Das fahrbare Unterwerk aus Hamburg für den Strom paßt nicht“, sagte sie. Dennoch soll der S 25-Bahnverkehr ab dem Frühjahr 1995 auf der Strecke rollen. Die Rückgabe von 80 Millionen Mark wollte die Sprecherin nicht bestätigen. Rolf Lautenschläger

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