Scheidung in Harmonie

■ Scheidungswillige haben ab 1. Januar Anspruch auf Beratung über Fragen des Sorgerechts und des Unterhalts für die Kinder. Einvernehmliche Trennungen mittels "Mediation" und "Scheidungszeremonien" liegen auch sonst...

Scheidungswillige haben ab 1. Januar Anspruch auf Beratung über Fragen des Sorgerechts und des Unterhalts für die Kinder. Einvernehmliche Trennungen mittels „Mediation“ und „Scheidungszeremonien“ liegen auch sonst im Trend. Hilft das?

Scheidung in Harmonie

In Amsterdam gibt es seit kurzem ein Wohnhaus für Familien, die keine mehr sind. Die Wohnungen haben getrennte Elterntrakte, dazwischen liegen die Kinderzimmer. Hier sollen Paare residieren, die sich getrennt haben, aber trotzdem mit ihren Kinder zusammenleben wollen. Solche Apartmentblocks werden zwar in Deutschland noch nicht gebaut. Aber das einschlägige Problem existiert auch hier und beschäftigt pro Jahr etwa 100.000 Paare: Wie trennen wir uns als Liebespaar und bleiben trotzdem als Elternpaar in Verbindung? Familientherapeuten und „Scheidungsvermittler“, von denen manche sogar „Scheidungszeremonien“ veranstalten, dienen sich zunehmend als Helfer für eine einvernehmliche Trennung an.

Auch der Gesetzgeber hat das Problem erkannt. Vom 1. Januar an gilt eine neue Bestimmung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG), nach der die Jugendämter interessierten Elternpaaren eine Scheidungsberatung anbieten müssen. „Was früher eine klassische Eheberatung war, wird heute oft zur Trennungsberatung“, beobachtet Psychologe Uwe Dieckhoff, Referent für Familienpolitik bei der Berliner Senatsjugendverwaltung. Neben der öffentlich finanzierten Beratung bieten viele Psychologen und Juristen privat honorierte Unterstützung bei der einvernehmlichen Trennung.

„Mediation“ heißt die Methode, die aus den USA von hiesigen Familientherapeuten und Rechtsanwälten übernommen wurde. Der Berliner Verein Zusammenwirken im Familienkonflikt bildet seit kurzem Mediatoren aus. Die Juristen oder Psychologen absolvieren über 24 Monate hinweg mehrere Blockseminare. Danach sollen die frischgebackenen Trennungsexperten in der Lage sein, in sechs bis zwanzig Sitzungen mit den Scheidungspartnern deren Gefühlschaos zu moderieren und konkrete Vereinbarungen über Unterhaltszahlungen und Sorgerecht zu erzielen. Diese Vereinbarungen werden dann möglichst beim Gerichtstermin auch eingehalten und vermeiden teure Anwaltskämpfe.

Paare, die eine Mediation beginnen, sollten möglichst noch miteinander reden können und sich nicht nur noch anschreien. Zu Beginn der Sitzungsreihe treffen sie eine Abmachung, am Ende tatsächlich auch eine gemeinsame Scheidungsvereinbarung erreichen zu wollen. An diese Übereinkunft werden die Partner dann immer wieder sanft erinnert, wenn zwischendurch die Wut auf den Ex-Geliebten hochkommt. Und die kommt meistens.

„Die Partner sind davon überzeugt, daß es in der Trennung einen Verlierer und einen Gewinner geben muß“, erklärt Familientherapeutin Jutta Lack-Strecker vom Verein Zusammenwirken im Familienkonflikt. „Und beide kämpfen darum, nicht der Verlierer zu sein.“ Die Wut ist besonders groß beim verlassenen Partner. Eine MediatorIn kann diese oft langjährig schwelenden Ehekonflikte natürlich nicht lösen, soll sie aber wenigstens in handhabbare Streitpunkte verwandeln. Erst sind die „leichten“ Streitpunkte dran, dann die schwierigen. Das sind meistens die Kinder.

Wer an die Wirksamkeit psychotherapeutischer Rituale glaubt, kann auch eine „Scheidungszeremonie“ zelebrieren lassen. In den USA halten liberale Priester auf Wunsch „Scheidungsabende“ in den Kirchen ab. Auch die nichtreligiösen „Scheidungszeremonien“ wurden in den USA entwickelt, hierzulande aber nur von einigen wenigen Mediatoren angeboten. Mit dem Ritual soll der Übergang vom Liebespaar zum getrennt lebenden Elternpaar feierlich vollzogen werden. Bei der Zeremonie sind nicht nur die Kinder, sondern auch gute Freunde des Paares und manchmal auch die Großeltern dabei.

Die Ex-Partner stellen sich einander gegenüber, im Halbkreis die Angehörigen. Zuerst fordert die Therapeutin die Ex-Partner auf, sich an die frühere glückliche Zeit zu erinnern. Zum Beispiel so (nach einem Video-Band mit Florence Kaslow): „Ich weiß, daß für Sie die Trennung schwer war. Ich frage mich, ob Sie Frau ... trotzdem sagen können, daß Sie ihr dankbar sind für die schöne Zeit“. Der Mann: „Ich erinnere mich an die schönen Jahre, als wir uns sehr geliebt haben, ein Kind bekommen haben ... Danke für diese glückliche Zeit.“ Dann schildert die Frau ihre Erinnerungen an die „gute Zeit“. Oft fließen hier die Tränen, weil die schönen Erinnerungen im Trennungsstreit verschüttet waren. Die Therapeutin fordert die Eltern nacheinander auf, den Kindern zu sagen, wie wichtig für sie die Zeit der Schwangerschaft und die Geburten waren. Dann sind die Kinder dran, sich zu erinnern.

Das Entscheidende an der „Zeremonie“: Die „guten“ Anteile der Beziehung leben noch einmal auf und werden den Eltern und vor allem den Kindern quasi als emotionales Reisegepäck mitgegeben. Eltern und Kinder schildern dann auch ihre Wut, Angst und Enttäuschung bei der Trennung. Zuletzt der wichtige Schlußteil: Die Beteiligten äußern ihre Wünsche für einander für die Zukunft. Die Erwachsenen sichern den Kindern ihre Unterstützung und Liebe zu, versprechen aber nur das, was sie auch halten können. Es folgt manchmal die Abschiedsumarmung, die Beteiligten werden über eine symbolische „Schwelle“ nach außen geleitet. „Wichtig für die Kinder kann zum Beispiel sein, daß der Vater ihnen gestattet, den neuen Freund der Mutter zu mögen“, erklärt Lack-Strecker.

Solche Selbstüberwindung liegt nicht jedem. Doch die Zahl der „vernünftigen Trennungen“ steigt: Ex-Eheleute schließen inzwischen bei jeder zwanzigsten Scheidung einen notariellen Scheidungsvertrag, so schätzt Siegfried Willutzki, Amtsrichter und Präsident des Deutschen Familiengerichtstages, „das ist ein Trend“. Im notariellen Scheidungsvertrag werden Unterhalts- und Vermögensfragen geregelt, er hat dann auch beim unerläßlichen Gerichtstermin Bestand. Das Sorgerecht für die Kinder muß allerdings gerichtlich festgelegt werden. Sind sich die Eltern einig, entscheiden die Richter immer öfter auf gemeinsames Sorgerecht. In Berlin enden schon acht bis zehn Prozent, in München zwanzig Prozent der Scheidungen mit dem gemeinsamen Sorgerecht, heißt es in den zuständigen Justizverwaltungen. Eine formal einvernehmliche Trennung ist aber keine Garantie für eine geglückte geteilte Elternschaft danach. In einer britischen Langzeituntersuchung stellte die Familientherapeutin Janet Walker fest, daß Mediationen nur wenig Einfluß auf das spätere Schicksal von Eltern und Kindern hatten. „Das Problem ist der fortwährende Konflikt in den Jahren danach“, so Walker. Mitunter ging es den Ex-Partnern sogar dann am besten, wenn sie überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihren Verflossenen hielten.

Auch mit dem oft propagierten gemeinsamen Sorgerecht würde oft „nur ein Forum geschaffen, wo sich die Eltern dann auf dem Rücken der Kinder weiter streiten können“, sagt Barbara Asenkerschbaumer vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) in Bayern. Viele Väter kümmerten sich auch nach der Scheidung und trotz des gemeinsamen Sorgerechts erheblich weniger um die Kinder als die Mütter, pochten aber trotzdem auf ihre Rechte. Auch neue Partnerschaften können der mühsam erarbeiteten postmaritalen Harmonie schlagartig ein Ende setzen. „Die wirkliche Trennung“, glaubt Referent Dieckhoff, „fängt sogar manchmal erst mit der Scheidung an.“ Barbara Dribbusch