: Eine neue Regierung ringt mit alten Problemen
■ Mexiko zum Jahresausklang: Währungskrise, Investorenpanik, Kapitalflucht, Ministerrücktritt, Präsidentenrede, Rebellenaktivität, Friedenshoffnung
Mexiko (rtr/wps) – Die Währungs- und Finanzkrise in Mexiko hat in der Regierung des Landes zu ersten personellen Konsequenzen geführt. Staatspräsident Ernesto Zedillo nahm am Donnerstag abend das Rücktrittsgesuch von Finanzminister Jaime Serra Puche an und berief Verkehrsminister Guillermo Ortiz zu dessen Nachfolger. In einer Rede an die Nation kündigte Zedillo die Auflage eines internationalen Hilfsfonds zur Wirtschaftsstabilisierung an.
Zedillo räumte „Fehler“ in der Wirtschaftspolitik seiner Regierung ein, die erst seit vier Wochen im Amt ist. Er versprach einen Abbau des hohen Leistungsbilanzdefizits, um die schwer angeschlagene Landeswährung Peso zu stärken, und eine Senkung der öffentlichen Ausgaben. Ein Sprecher kündigte für Montag die Bekanntgabe von weiteren Details an.
An den mexikanischen Finanzmärkten wurde der Rücktritt Serras positiv bewertet. Für Pessimismus sorgte jedoch eine Jahresprognose führender Wirtschaftswissenschaftler, in der für 1995 eine Rezession mit steigender Inflation und Arbeitslosigkeit vorausgesagt wurde. US-Präsident Bill Clinton lobte derweil die mexikanische Regierung: „Wenn ich die Situation in Mexiko mit der von vor ein paar Jahren vergleiche, muß ich sagen, daß bei den wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Reformen dort große Fortschritte erzielt worden sind“, meinte er. „Wir nehmen die Situation sehr ernst“, fügte er dennoch hinzu.
Genaue Angaben über die Höhe von neuen US-Hilfen gab es noch nicht. Kanada, das mit den USA und Mexiko in der Nordamerikanischen Freihandelszone Nafta verbunden ist, hat nach eigener Darstellung bisher nicht an den Verhandlungen über Hilfe für Mexiko teilgenommen. Bei dem Hilfspaket geht es darum, Schulden in Höhe von zehn Milliarden Dollar zu stunden, die innerhalb der nächsten drei Monate fällig sind. Die USA haben bereits einen neuen Kredit von sechs Milliarden Dollar gewährt.
Seit Anfang letzter Woche, als nach einer vorweihnachtlichen Abwertung und Freigabe der nationalen Währung der Verfall des Peso begann, hat Mexiko eine Kapitalflucht von acht Milliarden Dollar erlitten – etwa zwölf Prozent des gesamten in- und ausländischen Kapitals in dem lateinamerikanischen Land. In Reaktion hatte die mexikanische Regierung am Mittwoch die kurzfristigen Zinsen von 16 auf 31 Prozent erhöht. US-Investoren sollen dennoch durch die Währungskrise bis zu zehn Milliarden Dollar verloren haben. In Mexiko erleiden Händler, die US-Importwaren verkaufen, Millionenverluste, da Zedillo einen 60tägigen Preisstopp verhängt hat und die Peso-Verkaufspreise jetzt die Dollar-Einkaufspreise nicht mehr decken.
Unterdessen zeichnete sich auf politischer Ebene eine Entspannung ab. Als Reaktion auf den Rückzug der Regierungsarmee in Chiapas aus zwei Dörfern und der Ankündigung einer Bodenreform wollen auch die zapatistischen Rebellen aus einigen Dörfern abziehen. In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung der Guerilla hieß es, Einheiten der Zapatistas würden ihre alten Stellungen im Dschungel wieder einnehmen. Auch würden die Straßensperren wieder aufgehoben.
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