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■ ÖkolumneMüll ist schön Von Piotr Dobrowolski

Einkaufen war im kommunistischen Polen wahrlich alles andere als ein Vergnügen. Ersatzverpackung – lautete die verschmierte Aufschrift auf einem groben braunen Papiersack mit Süßigkeiten. Schokoladeähnliches Erzeugnis – gab eine andere Aufschrift bekannt. Und so traurig wie die verschmierten Stempel, die auf das braune Papier gedrückt wurden, so traurig war auch die davon umhüllte Ware: ein zuckerhältiges Irgendwas zwischen Erbrechen und Verzweiflung und dennoch fast schon ein Luxusartikel.

Heute haben nicht nur Milka und Bounty, sondern auch Persil, Honda und Beate Uhse den Weg auf die Märkte des Ostens gefunden. Die unscheinbaren Packpapiertüten mit ihrem unscheinbaren Inhalt wurden von einer neuen bunten Konsum- und Verpackungswelt abgelöst. Egal, ob Dreifach-Plastikfolie, PET-Flasche oder Alu-Dose: Erlaubt ist, was gefällt – es darf bloß nicht an das graue Einheitsdesign der kommunistischen Mangelwirtschaft erinnern. Nach Jahren mühsamen Schlangestehens und Jahrzehnten, in denen Plastiktragetaschen nur zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt gekauft werden konnten, schlägt das Pendel in die Gegenrichtung aus. Eine Bierdose im Shop an der Ecke kaufen, sie austrinken und an der nächsten Ecke wieder wegwerfen, bedeutet vielen nichts anderes als eine bescheidene Wiedergutmachung entgangener Konsumfreuden. Kein Wunder daher, daß ehemalige Ostblockstaaten für westliche Verpackungsproduzenten zu den ganz großen Hoffnungsmärkten zählen.

Kein Wunder auch, daß dieser Umstand fast ungeteilte Freude verursacht. Bedenken über eine drohende Verpackungslawine werden höchstens bei westlichen Umnweltschützern laut. Wenn, wie nahezu überall in den Reformstaaten Osteuropas, Abfall einfach in den Wald oder bestenfalls auf völlig veraltete Deponien geschüttet wird, dann ist der Weg zu ökologischem Handeln noch denkbar weit. Und auch nicht gefragt. Vorerst einmal will der Konsument „Qualität“ und meint damit möglichst aufwendige Verpackung. Wer einmal einen triefenden Salzhering in einer hauchdünnen Papierserviette nach Hause transportieren mußte, weil im Geschäft die üblicherweise zu diesem Zweck verwendeten alten Zeitungen ausgegangen sind, wird auch verstehen, warum.

Abfall ist noch lange kein vorrangiges Thema in der osteuropäischen Öffentlichkeit Kreislaufwirtschaft und Recycling noch weniger. Auch die wenigen modisch gestylten Altglas- oder Altpapiercontainer mancher Ostmetropolen können nichts daran ändern – Passanten gehen in der Regel völlig gleichgültig an ihnen vorbei. Auch das kein Wunder, denn die Erfahrungen mit Altstoffverwertung, die in den Zeiten des Staatssozialismus gemacht werden konnten, waren genauso spärlich wie grotesk: In Polen beispielsweise besann sich Vater Staat jedesmal dann auf die Vorteile des Recycling, wenn die Dauermangelware Papier endgültig auszugehen drohte. „Am Montag“, wurde dann freitags in den Schulklassen des Landes angekündigt, „bringt jeder zwei Kilo Altpapier mit.“ Insbesondere kinderreiche Familien wurden mit dieser Vorgabe vor kein einfaches Problem gestellt. Doch es war lösbar. Zu den unzähligen Eigenheiten des politischen Systems zählte nämlich auch die Tatsache, daß selbst in Zeiten größter Papiernot an jedem Zeitungsstand Tag für Tag reichlich Restexemplare so spannender Publikationen wie Soldat der Freiheit, Neues Dorf oder Fahne der Jugend übrigblieben. Was lag also näher, als diese staatlich subventionierten und somit lächerlich billigen Blätter aufzukaufen und sie der schulinternen Altpapiersammlung zuzuführen?

Seit dieser Zeit hat sich viel geändert. Die ohnehin seltenen Vorschläge, wie Osteuropa seine katastrophale Umweltsituation bewältigen könnte, sind bisweilen aber noch genauso absurd wie die Idee einer zwangsverordneten Altpapiersammlung. So kündigte etwa die seriöse polnische Wochenzeitung Wprost vor kurzem die Errichtung neuer McDonald's- Filialen an und schloß ihren Bericht mit der optimistischen Feststellung, der Fast-food-Riese werde den Reformstaaten endlich zeigen, wie Wegwerfverpackungen sinnvoll sortiert werden können. Die Frage, was mit der sinnvoll sortierten Verpackung geschehen soll, sparten die Wprost-Redakteure aus – sie ist ihnen erst gar nicht eingefallen.

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