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Jagd auf Ausländer am römischen Strand

■ Pogrome nach dem Unfalltod eines Mädchens

Rom (taz) – „Tod den Farbigen“, „Macht die Gaskammern wieder auf“, „Hitler wird euch alle holen“ – solche Graffiti sind zur Zeit an den Wänden des italienischen Strandortes Torvaianica wenige Kilometer südlich von Rom zu sehen, wo seit einigen Tagen Einwohner gegen sämtliche Einwanderer zu Feld ziehen. Am Dienstag hatten zwei betrunkene marokkanische Strandhändler ein 15jähriges Mädchen, das vor einem Stehausschank auf ihren Vater wartete, angefahren und tödlich verletzt. Seither ist es zu massiven Überfällen auf farbige Einwanderer gekommen, von denen mehrere tausend in diesem Gebiet hausen und Waren feilbieten. Ein Nordafrikaner wurde in der Nacht zum Donnerstag durch Messerstiche und Schnitte im Gesicht so schwer verletzt, daß die Notärzte ihm mehr als 60 Klammern setzen mußten. Ein anderer Strandhändler bekam in der Nacht zum Freitag eine Schrotsalve verpaßt. Mehrere Dutzend Schwarzafrikaner wurden an Bushaltestellen abgepaßt und mußten Spießruten laufen.

Die Behörden haben nun die gesamte Strandzone, etwa zehn Kilometer lang, unter verstärkte Patrouillenaufsicht gestellt. In Torvaianica selbst rückten gut zweihundert Carabinieri ein und kontrollieren jede Ansammlung von Menschen. In den Dünen und im Hinterland sind Jeeps und in einigen Fällen auch leichte Spähwagen in Stellung gegangen und schützen die Unterkünfte der Immigranten, die oft nur notdürftig aus Stangen und Plastikfolien zusammengebastelt sind und die nun leerstehen, weil die meisten ihrer Bewohner aus Angst vor Anschlägen das Weite gesucht haben.

Die Polizei hat inzwischen den tödlichen Unfall vom Dienstag rekonstruiert und schließt Vorsatz aus. Die beiden Wageninsassen hatten mehr als zwei Promille im Blut; die Stelle, an der das Mädchen wartete, lag im Halbschatten. Daß die Behörden dennoch weitere Ausschreitungen fürchten, hängt damit zusammen, daß die Gegend seit jeher einen schlechten Ruf hat. Bereits vor drei Jahren wurden zwei Strandhändler wegen eines – später als ungerechtfertigt erwiesenen – Verdachts einer Entführung verhaftet, woraufhin Anwohner mehrere Dutzend Afrikaner krankenhausreif prügelten. Werner Raith

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