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„Rühe zu Wörner legen“

30 AntimilitaristInnen besetzten den Bendler-Block, das einstige und zukünftige Kriegsplanungszentrum der deutschen Armee  ■ Aus Berlin Hans-Hermann Kotte

Kriegsministerium besetzt“ – unter diesem Motto sind rund dreißig AntimilitaristInnen gestern in die Außenstelle des Bundesverteidigungsministeriums im Berliner Bendler-Block eingedrungen. Die Sympathisanten der Berliner „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ hielten sich etwa eine Stunde friedlich dort auf, brachten an der Fassade sowie im Lichthof eines Gebäudeteils Transparente an und verlasen eine Erklärung.

Neben dem Tucholsky-Klassiker „Soldaten sind Mörder“ waren auf den Transparenten auch ein Aufruf zur Erfassungs- und Musterungsverweigerung sowie Kritik an der Abschiebung von Deserteuren und Kriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien zu lesen. „Zusammenlegung von Rühe und Wörner“ lautete die witzigste Forderung.

Als die Polizei schließlich eingriff, verließ die Hälfte der DemonstrantInnen das Gebäude. Die anderen, denen jetzt Hausfriedensbruch vorgeworfen wird, wurden von der Polizei geräumt.

In dem gestern besetzten Gebäude, dem sogenannten Bendler- Block, hatte vor mehr als fünfzig Jahren das Oberkommando der Wehrmacht den nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungsfeldzug geplant. Der Block soll nach dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin als Hauptsitz des Bundesverteidigungsministeriums dienen. Mit ihrer Aktion, deren konkreter Anlaß die Einberufung von 30.000 jungen Männern zur Bundeswehr am 2. Januar ist, wollten die KriegsdienstgegnerInnen auf solche historischen Parallelen hinweisen. Außerdem machten sie darauf aufmerksam, daß die Bundeswehr zum Beginn dieses Jahres erstmals seit Ende der Nazi-Zeit wieder einen „Generalstab unter anderem Namen“ haben wird.

Ab April soll ein sogenanntes Führungszentrum der Bundeswehr Kriegseinsätze der „Krisenreaktionskräfte“ auch außerhalb der Nato eigenständig planen und durchführen. Zu solch direktem Zugriff war die Bundeswehr durch die vollständige Einbindung in die Nato-Befehlsstrukturen bislang nicht fähig gewesen.

Der Generalstab der Wehrmacht war nach dem Krieg von den Alliierten aufgelöst worden. Bei Einführung der Bundeswehr wurde – auch als Lehre aus der Geschichte – kein Generalstab etabliert. Diese „Phase der erzwungenen militärischen Enthaltsamkeit, in der die deutsche Armee nicht direkt zur Wahrnehmung der Interessen der BRD eingesetzt werden konnte“, so Holger Paech und Matthias Mücke von der Kampagne, werde nun unter Minister Volker Rühe (CDU) und seinem Generalinspekteur Klaus Naumann beendet. Die Bundeswehr werde „wieder zum Instrument deutscher Machtprojektion“.

Die Führung der Armee versuche immer stärker, „einen aktiven Part bei der Gestaltung der deutschen Außenpolitik zu spielen“. Dabei seien die Militärs „auf einen Begriff von Sicherheit umgeschwenkt, der nationale Sicherheitsinteressen international definiert wissen“ wolle. „Krisen“, so die Kampagnen-Leute, ergäben sich für die Bundeswehrführung neuerdings schon bei „Rohstoffknappheit, Störung von Handelsstrukturen, Flüchtlingsbewegungen, religiösen Bedrohungsszenarien, Unterbrechung der Müllentsorgung der Wohlstandsgesellschaft“.

Vor der Aktion im Bendler- Block hatten die KriegsdienstgegnerInnen am Bahnhof Zoo in der Berliner Innenstadt versucht, die Gleise eines Rekrutenzugs zu blockieren, der Wehrpflichtige in die Kasernen transportiert. Das Unterfangen scheiterte jedoch, weil der gesamte Bahnhof von Polizisten abgesperrt war.

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