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Pollig-knolliges Gesamtwerk

Ein ausgewähltes Sammelsurium grauenhafter und nervtötender Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält / Kapitel II: Bodybuilding, weibliches  ■ Von Albert Hefele

In der Regel ist die Ausbildung des Muskels eine willkommene Nebenerscheinung sportlichen Tuns. Tennisspieler erhalten zum Beispiel gratis einen Tennisarm, während Fußballer sich neben dem obligatorischen Meniskusschaden (bzw. der weit verbreiteten Adduktorenzerrung) meistens überdurchschnittlich dicke Waden und Oberschenkel zulegen. Ihre Oberarme sind dagegen nicht umfangreicher als die meinigen. Im Prinzip. Darum merke: Muskeln sind Produkt von Schwimmen und Laufen, Stoßen und Posen. Nicht Selbstzweck. Im Prinzip. Der Bodybuilder sieht das anders.

Im Gegenteil. Der Bodybuilder findet nichts Anstößiges daran, seinen Körper ganz ohne Not in ein befremdlich pollig-knolliges Gesamtwerk zu verwandeln. Eine Art unregelmäßig aufgepumpte Luftmatratze. Das heißt, nicht ganz, denn im Unterschied zur Luftmatratze verlaufen unter des Körpersportlers Haut wurmartige Stränge. Das sind die Blutgefäße, die sich zwecks zügiger Blutversorgung der Muskelknödel auf ein Vielfaches ihres üblichen Durchmessers verdickt haben. Wenn der Sportler die Muskeln strafft, kann man sie gut sehen und sich vor ihnen gruseln. Der Bodybuilder will natürlich nicht zum Gruseln sein, sondern schön. Das kann man ihm nicht vorwerfen, denn wer will das nicht im Tiefsten seines Innersten?

Außerdem ist die Schönheit ein relatives Gut. Einige finden hochgezwirbelte Bärte schön, andere lieben gar Schuhe, aus denen etwas Pelziges sprießt. Warum sollten die Kraftsportler, wenn sie es gerne tun, nicht stundenlang Eisengewichte herumtragen oder sie an Stangen stecken und in die Höhe recken? Ihre Sache. Auch die Einnahme von Steroiden und ähnlicher Mastnahrung geht nur den sich selbst Schadenden was an.

Anders ist es dann, wenn bis zum Platzen aufgepumpte Männlein sich ins Fernsehen drängen und dem guten, alten Fußball die Sendezeiten stehlen. Noch schlimmer, wenn diese Männlein gar keine Männlein sind, sondern Damen. Na und, wird der oder jener fragen, dürfen sich Damen vielleicht nicht verunstalten, wenn ihnen danach ist? Klar, dürfen sie. Die Frage ist nur, ob man dabei zusehen mag, wie diese Damen, die aussehen wie eine andere Art Männer, ihre Körper winden. Und mit den Extremitäten fuchteln, wie von einem anfängerhaften Puppenspieler bewegt.

Das stakelt über die Bühne und wirft sich in Bizepspose und Beinpose. Gar in weibliche Brustpose ... Daß ich nicht lache. Brustpose. Ich kann keinerlei Brust entdecken, höchstens eine unerhebliche Schwellung, die kaum das sogenannte „Oberteil“ beult. Macho! Macho!, höre ich es rufen, aber das ist mir egal.

Ziel des Posings ist auch nicht schiere Schönheit, sondern die versammelte Muskelschar zu präsentieren. Jede Faser soll möglichst gleichwertig und gleichmäßig ausgebildet sein. Deltoideus und Trapezius, Glutaeus maximus und Musculus obliquus. Kein Wunder, daß dabei die seltsamsten Verrenkungen herauskommen. Imaginäre Vasen werden gestemmt und völlig unmotiviert die knolligen Knie gebeugt. Man rollt in einer Art unbeholfenem Bodenturnen herum in dem Bemühen, auch noch das im letzten Körperwinkel schlummernde Müskelchen vorzuzeigen. Dazu wird forsch geschmunzelt, denn gute Laune gehört, wie bei den meisten Sportarten, die sonst wenig zu bieten haben, immer dazu. Was den schon etwas in die Jahre gekommenen Bodybuilderinnen nicht immer zur optischen Ehre gereicht.

Schuld daran ist das ausgiebige und für Körpersportler offenbar unverzichtbare Höhensonnen. Ungebräunt sollst du nicht posen gehen, lautet ein eherner Grundsatz der Kraftmeier. Wer braun ist, ist schön und wirkt gesund. Denkste. Die nicht mehr ganz so junge Haut trocknet nämlich aus und verwandelt auch die ehemals prallste Wange in den berüchtigten Lederapfel. Exzessives Grinsen verstärkt diesen Effekt noch und verleiht der eigentlich um eine optimistische Ausstrahlung Bemühten eine nicht sehr attraktive, schrumpelige Note. Verzweifelte Affen sehen so aus, mit Verlaub bemerkt.

Verzweifeltes Mühen scheint überhaupt ein Merkmal des weiblichen Bodybuilding zu sein. Kaum eine der Damen kann sich das Etikett „locker“ aufpappen. Allzusehr dirigiert der zu schwellende Muskel den Bewegungsablauf, lähmt die Pose eine rhythmische Vorführung. Ein zwar unhörbares, aber deutliches „Hauruck!“ steht im Raum. Die Armen! Nicht einmal das einfache Gehen scheinen sie ohne Mühsal zu bewältigen. Wenn sie so dahinaustapsen, können sie einem richtig leid tun. Wie ihnen die Ärmchen unbeholfen vom Körper abstehen. Verkümmerte Flügelchen. Etwas zu kurz und zu krumm, wie vom vielen Bierfäßchentragen.

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