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Kultur und Religion als männliches Alibi

Gewalt und Unterdrückung gegen Frauen in den meisten Staaten der Welt noch immer allgegenwärtig / Die neue Sonderberichterstatterin der UNO legt ihren ersten Bericht vor  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt gegen Frauen, ihre wirtschaftliche Ausbeutung und politische Unterdrückung durch Ehemänner und Freunde, Arbeitgeber und Vorgesetzte sind in den meisten der 186 Mitgliedsstaaten der UNO weiterhin stark verbreitet. Regierungen und Behörden sind in vielen Fällen zumindest durch Untätigkeit mitschuldig. Zu diesem Ergebnis kommt die neu ernannte Sonderberichterstatterin der UNO über „Gewalt an Frauen, deren Ursachen und Konsequenzen“, Radhika Commaraswamy in ihrem ersten Bericht, der diese Woche in Genf veröffentlicht wurde. Frauen seien Opfer von Gewalt in der Familie, in der Gesellschaft und durch den Staat, heißt es in dem 90seitigen Dokument, das im Februar der UNO- Menschenrechtskommission zur Beratung vorgelegt werden soll.

Das Amt einer Sonderberichterstatterin für Frauen war nach einer erfolgreichen Kampagne internationaler Frauenrechtsorganisationen auf der Wiener Menschenrechtskonferenz der UNO Ende 1993 von der UNO-Generalversammlung eingerichtet worden. Frau Coomaraswamy, eine Juristin aus Sri Lanka, wurde im Juli letzten Jahres auf den neugeschaffenen Posten berufen.

Seit Jahrhunderten, schreibt sie in ihrem Bericht, übten Männer Gewalt gegen Frauen aus, um sie einzuschüchtern und ihnen Gleichberechtigung, wirtschaftliche Macht und Unabhängigkeit zu verwehren. Kulturelle Gebräuche, Traditionen und Religionen würden oft mißbraucht, um Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen. Weitverbreitet sind auch Vergewaltigungen als Kriegswaffe und Foltermethode, wie sie in den letzten drei Jahren vor allem aus Ex-Jugoslawien berichtet wurden. Auf Polizeiwachen und in Gefängnissen vieler Staaten seien Mißbrauch und Vergewaltigungen an der Tagesordnung.

Auch Pornographie wird in dem Bericht verurteilt, als „Symptom und Folge“ der Gewalt gegen Frauen. Sie verletze die weibliche Würde und fördere „Haltungen und Praktiken, die direkt zu Gewalttaten gegen Frauen führen“.

Die Vergewaltigung von Frauen und Gewalt in der Familie würden in der Mehrheit der UNO-Staaten überhaupt nicht oder nicht ausreichend bestraft. Die Sonderberichterstatterin fordert strengere Gesetze gegen Vergewaltigung in der Ehe, mehr Hilfsprogramme für Opfer, Frauenhäuser, Therapieprogramme für Täter und breitangelegte Aufklärungskampagnen. Nach ihrem ersten, noch allgemein gehaltenen Bericht, will die UNO- Sonderberichterstatterin künftig detailliertere Untersuchungen zu bestimmten Formen der Gewalt gegen Frauen sowie länderspezifische Berichte vorlegen. Frauenrechtsorganisationen und viele bei der UNO beschäftigte Frauen hoffen, daß sich Coomaraswamy dann auch um die geschlechtspezifische Diskriminierung sowie die sexuellen Übergriffe gegen Frauen innerhalb des UNO-Systems kümmert. Dieses auch in den UNO-Zentralen in New York und Genf mit ihren insgesamt rund 50.000 MitarbeiterInnen weitverbreitete Problem wird bislang noch weitgehend tabuisiert. Die wenigen Frauen, die sich gewehrt oder sexuelle Übergriffe öffentlich gemacht haben, wurden sanktioniert, Untersuchungen verschleppt und Täter bisher in keinem einzigen Fall zur Rechenschaft gezogen.

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