: Batman aus der Wendekiste
■ Musiktheater Lodz reist mit der Fledermaus im Ikarus
„Mit Cats ist das natürlich kein Vergleich!“. Die Dame im Foyer der Glocke kennt sich aus. Sie hat das Millionen–Musical in Hamburg gesehen. „Und in der Flora war ich auch schon“. Dort läuft seit einigen Jahren der zweite musikalisch-gesellschaftliche Höhepunkt der Kommerzkultur.
Aber die Dame mit der frischen Fönfrisur hat recht. Die Inszenierung von Johann Strauß– „schönster Operette“ am Mittwoch abend in der Glocke ist mit dem Pomp und Glimmer von Cats oder Phantom der Oper nicht zu vergleichen. Das polnische Musiktheater Lodz hat sich unter der Leitung von Kasimierz Kryza bemüht, das Stück zu modernisieren. Nett ist es geworden, die Kostüme erinnern ein bißchen ans Kaspertheater, dann wieder hat Kryza Anleihen bei Can-Can-Gruppen gemacht. Das Bühnenbild wirkt gemütlich, die „Wendekiste“ ersetzt große Bauten: Sie wird pro Akt einmal gedreht und schon sieht die Bühne anders aus. Aber auch hier bleibt das Stück klassisch. Die Vier-Türen-Optik des Volkstheaters ermöglicht burleske Hasch-mich-Spielchen der erfreulich guten SängerInnen. Beim Publikum kommt es an.
Es sei völlig neu inszeniert, verspricht die Ankündigung, dazu noch in deutscher Sprache. Doch mit dem Akzent der polnischen SchauspielerInnen und SängerInnen hapert es noch etwas. Stubenmädchen Adele oder Rentier Eisenstein rrrollen das R, haben Schwierigkeiten mit den Umlauten. Dem Publikum mißfällt das, „da müßten die mal was dran machen“, findet ein junger Mann. Er geht gern in Musicals oder Operetten, in Hamburg war er schon zweimal. Aber was soll man machen, in Bremen wird wenig in der Richtung angeboten.
Das Stück ist schmißig, der in jedem Akt und vielen Szenen gespielte Walzer geht in die Beine. Die mittelalterlichen ZuschauerInnen wiegen die Köpfe und klatschen den Takt. „Ja das Publikum in Norddeutschland ist sehr warm“, sagt Franz Josef Richinski, von der Künstleragentur Pagard in Warschau. Er betreut die Truppe aus Lodz auf ihrer Tournee. Heute Bremen, morgen Lübeck dann geht es über die dänische Grenze. Wochenlang ist die Gruppe im Ikarus Kleinbus unterwegs.
Angefordert hat sie die Konzertagentur Gerhartz aus Kiel. „Die Themen gehen von uns aus“, sagt eine Mitarbeiterin der Agentur, die sich auf Veranstaltungen im klassischen Unterhaltungssektor spezialisiert hat: Ein bischen Holiday on Ice, ein wenig Nabuco und auch mal eine Andrew Lloyd Weber Gala. Geordert und gezeigt wird, was beim Publikum ankommt.
Die Ensembles kommen fast ausschließlich aus Osteuropa. „Wir wissen, daß wir wenig Geld bekommen“, sagt Richinski, aber das störe ihn nicht. Die Orchester- und Ensemblemitglieder bekommen pro Auftritt rund achtzig Mark. Für den Preis würde ein deutscher Statist nicht mal eine stumme Rolle übernehmen. Daheim verdienen die PolInnen höchstens 400 Mark im Monat.
„Es macht uns große Freude, daß wir in Deutschland spielen können“, versichert Richinski. In Polen sei eine Tournee finanziell überhaupt nicht mehr möglich. Die Preise für Hotels sind dort auf Westniveau, die Eintrittsgelder aber noch billig. So ist allen geholfen: Den PolInnen, die in ihrem Metier Geld verdienen, der Konzertagentur, die den Reibach macht und dem kleinstädtischen Publikum, das nicht immer nach Hamburg fahren muß.
fok
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