Sanssouci: Nachschlag
■ Ob mit oder ohne Kohleofen: Alle Jahre wieder Schnupfen
Kennen Sie das? Tagsüber frieren Sie sich fast den Arsch ab, und nachts ist's so warm, daß Sie kaum ein Auge zutun. Ach, Sie können auch ein Lied davon singen? Dann gehören auch Sie zu jener schon selten gewordenen Spezies von Mensch, die sich jahrein, jahraus mit einem Kohleofen durch den Winter bringt. Sieben Jahre lang hatte ich mit so einem dickleibigen Vielfraß gemeinsam in einer Einzimmerwohnung gelebt. Sieben Jahre lang stand dieser Kerl im Mittelpunkt meines Lebens und wachte eifersüchtig darüber, the one and only zu sein. Fast stündlich verlangte er im Winter, daß man sich um ihn kümmerte, und vergaß man ihn einmal auch nur für einen halben Tag, war alle vorherige Fürsorge für die Katz, und er ging, ohne auch nur das geringste Zeichen der Warnung, einfach beleidigt aus.
Und der Dank für all die Liebesmüh? Sieben Jahre nichts als Staub, Schwefel und zu guter Letzt: jeden Winter Schnupfen. Nein, wir beide, mein Ofen und ich, wir waren einfach nicht füreinander geschaffen, lebten wir doch immer aneinander vorbei. Tagsüber, wenn ich ihn brauchte, war er so gut wie nie für mich da. Er kam eigentlich immer erst dann auf volle Touren, wenn ich schon ins Bett stieg. Im Grunde war unsere Beziehung ein klarer Fall von Ausbeutung: während ich mich tagsüber für uns beide abrackerte, schlug er sich fröhlich die Nächte um die Ohren. Dennoch rieten mir meine Freundinnen, die ich ansonsten eher als emanzipiert einschätzen würde, jedes Jahr aufs neue, ich solle es doch noch einmal mit ihm versuchen... Und selbst meine Mutter, auf die in Beziehungsdingen eigentlich immer Verlaß ist, hatte kein Verständnis. Es gäbe keine schönere Wärme als die eines echten Ofens, säuselte sie regelmäßig durchs Telefon – während sie freilich gemütlich auf der Fußbodenheizung ihres Einfamilienhäuschens im Schwäbischen stand.
Letzten Winter hatte ich endgültig die Nase voll. War's Zufall oder Schicksal? Jedenfalls lief mir damals, als meine Krise so ziemlich ihren Höhepunkt erreicht hatte, da ich mal wieder tiefverschnupft im Bett lag, eine Zweizimmerwohnung mit Zentralheizung über den Weg. Entweder du gehst jetzt, sagte ich mir, oder du wirst den alten Drecksack nie mehr los. Alles wird von nun an ganz anders werden, dachte ich. Gleichberechtigter, wohltemperierter. Vor allem aber: schnupfenfrei. Zumal der Luxus von zwei Zimmern temperaturtechnisch gesehen die paradiesische Möglichkeit eröffnete, Schlaf- und Arbeitszimmer zu trennen. Was bei typischen Kaltschläfern, wie ich es einer bin, von großem Vorteil ist. Übermütig riß ich diesen Winter auch jeden Abend das Fenster meines Schlafzimmers sperrangelweit auf und wähnte mich endlich wieder als freier Mensch. Aber ach! Da rächte sich der schon längst vergessen Geglaubte ein letztes Mal. Denn freilich hatte ich mir in den letzten sieben Jahren angewöhnt, auch im Winter bloß leicht bekleidet ins Bett zu gehen. Schließlich pflegte mein Ofen mir während der Nachtruhe hochsommerliche Temperaturen zu bescheren. Herrgottnochmal! Drum hat's mich auch dieses Jahr wieder erwischt! Andrea Kern
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