: Der Prosilschein
■ Die Mehrheit der Landesmedienanstalten zweifelt die Pro7-Lizenz an, weil der Sender von Leo Kirch abhängig ist
Eigentlich geht es immer wieder um die gleiche Frage: Gehört der Sender Pro7 zum Kirch-Konzern – oder ist sein Hauptgesellschafter Thomas Kirch nur eben „chromosomentechnisch“ der Sohn vom großen Leo? Ist nämlich Pro7 (Marktanteil: 9,4 Prozent) kein wirtschaftlich selbständiges Unternehmen, dann beherrscht Citizen Kirch auf jeden Fall mehr Fernsehsender, als er in Deutschland nach Recht und Gesetz dürfte.
Doch was Recht und Gesetz ist, entscheiden erst einmal die 15 Landesmedienanstalten, zuständig für Lizenzen und Kontrolle der Privatsender. Über diejenigen aus dem Kirchschen Dunstkreis geraten sie regelmäßig in Streit. Vor allem Schleswig-Holsteins „Unabhängige Landesanstalt für das Rundfunkwesen“ (ULR), für die Pro7- Lizenz zuständig, handelt nach dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“.
„Keine Nachweise“ für Verflechtung gefunden
Ein Gutachten von Kieler Wirtschaftsprüfern hatte zwar festgestellt: die „wirtschaftlichen Verhältnisse von Pro7 (lassen) die Vermutung aufkommen, daß Dritte als Treugeber, Garanten etc. wirtschaftlich hinter den Gesellschaftern stehen“. Na und, sagte sich die ULR. Schließlich steht im gleichen Gutachten auch, daß sich dafür „keine Nachweise“ finden ließen. Die ULR war's zufrieden. Ihr Direktor Gernot Schumann stellte also im vergangenen Juli und unter Protest der Mehrheit der anderen Medienanstalten Pro7 die „Unbedenklichkeitsbestätigung“ aus, die der Sender wegen einer Verschiebung von Gesellschafteranteilen brauchte.
Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) reagierte pikiert. Die Entscheidung der ULR habe „den Nachteil“, daß „wir landauf, landab ein bißchen durch den Kakao gezogen worden sind“, und ließ ihre Staatskanzlei flugs ankündigen, man werde das „rechtsaufsichtlich bewerten“. Ein gutes halbes Jahr später hat sie von der ULR zwar noch nicht einmal die Akten herübergereicht bekommen. Doch immerhin hat sie schon ULR-Direktor Schumann aufgefordert, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Und nach Informationen der Zeitschrift TV-Today will jetzt der fünfköpfige Vorstand der ULR bis zur nächsten Sitzung am 26. Januar den Schriftverkehr mit Pro7 noch einmal prüfen.
Widerspruch: „Pro7 hat die Beweislast“
Das verspricht um so spannender zu werden, als Schumann zu Weihnachten noch andere kritische Post ins Haus flatterte: der ausführliche Widerspruch von neun Medienanstalten. Die Argumente dafür, daß Pro7 der Persilschein rechtswidrig ausgestellt wurde, sind so schlagend, daß den Kielern für ihre Antwort schon etwas mehr als bisher („...hat sich nicht feststellen lassen...“) einfallen müßte. Pro7 hatte schließlich an den (für die Lizenzentscheidung grundlegenden) Gesellschafteranteilen herumgebastelt und benötigte deshalb einen sogenannten „begünstigenden Verwaltungsakt“ – die Voraussetzungen dafür muß jeder Antragsteller einer Behörde nachweisen.
In einem ähnlichen Verfahren – es ging diesmal um Kirchs Deutsches Sportfernsehen – hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 1993 eindeutig festgestellt: „Für die Frage, ob und inwieweit die für die Wahrung der Medienvielfalt tatbestandlichen Vorgaben eingehalten sind oder nicht, trägt der Bewerber die materielle Beweislast.“
Die Kieler Pro7-Freunde bedauern dagegen immer, selber nichts beweisen zu können: „...hat sich nicht feststellen lassen ... geben keinen sicheren Aufschluß ... handelt es sich lediglich um eine Vermutung...“ Die neun widerspenstigen Anstalten werfen Schumann daher vor, „das geballte Auftreten“ von Indizien eines Kirch- Klüngels nicht „zum Anlaß weiterer Ermittlungen“ genommen zu haben. Zum Beispiel, sagen sie, hätte die Tatsache genau untersucht werden müssen, daß Leo und Thomas Kirch „ihre Geschäfte in ein und demselben Gebäude abwickeln und ein gemeinsames Sendezentrum mit gemeinsamem Arbeitsprogramm verwenden“.
Auch innerhalb von Pro7 sind die Verhältnisse, gelinde gesagt, unübersichtlich. Thomas Kirch bleibt nur durch zwei Kunstgriffe mit seiner (47,5-Prozent-)Beteiligung unter der verbotenen Mehrheit: 49,5 Prozent gehören der Medi-Media GmbH eines Kaufmanns namens Gerhard Ackermans, der nie auftaucht und dessen Zwei-Zimmer-Büro sich über einer ehemaligen Dorfkneipe befindet. Die neun Medienanstalten argumentieren nun, daß die Medi- Media GmbH „keinen Einfluß mehr“ bei Pro7 ausübt, „so daß sich schon deshalb eine der Stimmenmehrheit entsprechende Stellung von Herrn Thomas Kirch ergibt“.
Zweiter Trick: Pro7-Geschäftsführer Georg Kofler, einst Büroleiter von Leo Kirch (!), bekam, angeblich als Erfolgsbeteiligung“, drei Prozent Anteile. „Es ist nicht glaubwürdig“, schreiben glaubwürdig die neun Anstalten, „daß ... ein Gesellschafter seine bisher bestehende Mehrheit durch diese Zuwendungen an den Geschäftsführer abgibt.“ Aber vielleicht könnte uns Herr Kofler ja den Kaufmann Ackermans, den Mann ohne Gesicht, einmal persönlich als seinen Wohltäter vorstellen. Es wäre der erste Philanthrop der Branche.
Die Freunde und Förderer von Pro7
Schauen wir zum Schluß noch, welche Medienanstalten sich dem Widerspruch gegen die Kirch-umschlungenen Schleswig-Holsteiner nicht angeschlossen haben (außer den Nordrhein-Westfalen, die nur die gemeinsame Begründung nicht unterschrieben haben): da sind die speziellen Freunde und Förderer des privaten Rundfunks in München und Stuttgart, die Rhein-Pfälzer, die wohl um ihren Sat.1-Standort bangen, und, Gott weiß warum, die Mecklenburger. Vielleicht in Solidarität der Ostseeanrainer. Michael Rediske
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