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Emsig paddelnde FDP-Schwäne

FDP machte sich beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart Mut für die Wahlkämpfe / Werben um Mittelstand und Berufsbeamte / Kinkel gegen den rechten Flügel in der Partei  ■ Aus Stuttgart Heide Platen

Ein wenig Ähnlichkeit mit den Enten und Schwänen im Teich vor dem Stuttgarter Staatstheater hatten sie gestern schon, die FDPlerInnen. Drinnen im Saal wurde zum traditionellen Dreikönigstreffen auf immer kleiner werdender Fläche emsig mit den Beinen gerudert, damit der Rest kalten Wassers nicht auch noch zufriere.

Das hörte sich bei Bundesaußenminister Klaus Kinkels langer Rede recht zweibeinig an. Mit dem einen scharrte er für den Bodensatz der schwäbischen mittelständischen Schaffer und Häuslebauer. Der brauche Steuersenkungen, einen schlanken Staat, Entbürokratisierung bei Unternehmensgründungen, und Leistungswille müsse belohnt werden. Dabei vergaß er nicht, die nicht unbeträchtliche Zahl braver Beamten gegen ihre gänzliche Abschaffung in Schutz zu nehmen. Um die Berufsbeamten werde die Bundesrepublik „in anderen Ländern beneidet“.

Das andere, frierende Beinchen zog er hin und wieder zum Aufwärmen in das Parteifederkleid. Anspielend auf Persönliches nahm er Abschied vom abgewählten baden-württembergischen Landesvorstand Roland Kohn: „Politik lebt nicht immer von Dankbarkeit.“ Im Rückblick auf seine beim Sonderparteitag in Gera angeschlagene Position rief der Bundesvorsitzende dann in den Saal, als ginge es zum Kampf in den Bauernkrieg: „Klaus Kinkel steht, und er wird kämpfen!“ Mit Blick auf die Mentalität des „Stammländles“ und die innerparteilichen Zustände schmetterte er die Marschrichtung: „Hier kriecht man in schlechten Zeiten nicht jammernd ins Eck, hier steht man auf, hier packt man an und hier reißt man sich am Riemen.“

Zum Federvieh paßte auch das, was Klaus Kinkel dann quälte: „Was wir gar nicht brauchen können, sind Flügelkämpfe!“ Er rügte damit den rechten FDP-Kreis, der sich am Donnerstag neben dem Landesparteitag getroffen hatte. Er hätte sich, so Kinkel, eine Diskussion auf dem Parteitag und „nicht im Hinterzimmer von Gasthöfen“ gewünscht: „Die FDP darf nicht zum Rechtsausleger werden.“ Davor hatte auch Bundesvorstand Ignatz Bubis eindringlich gewarnt. Er erinnerte noch einmal an die liberale Geschichte der FDP in der Nachkriegszeit und warnte vor einem Verschleißen in Flügelkämpfen.

Außerdem vertrage es nach der hessischen Landtagswahl im Februar ein möglicher Ministerpräsident Manfred Kanther wirklich nicht, daß sein Koalitionspartner „noch ein bißchen weiter rechts vom ihm steht“.

Partei-Newcomer Guido Westerwelle reklamierte vehement die Interessen der jungen Generation. Im senffarbenen Sakko forderte er die liberale Zukunft für sich. Und die sieht eine „Modernisierungsoffensive“ gegen die „Gefälligkeitsdemokratie“ vor. Er stellte eine „Versozialdemokratisierung“ auch bei den Unionisten fest, die „Nostalgieindustrien“ unterstütze. Er wetterte gegen solchen Zeitgeist und zog seinen eigenen dagegen aus der Flasche.

Die Sektsteuer, stellte er süffisant fest, habe Wilhelm Zwo zur Finanzierung der Kriegsmarine eingeführt. Die Flotte sei inzwischen schon zweimal versenkt, die Sektsteuer aber „zigmal erhöht“ worden. Dagegen setzte er das „Leistungsprinzip“ der „Leistungsbereiten“: „Das ist etwas ganz anderes als die Partei der Besserverdienenden.“ Und sorgte sich auch gleich um die Rente seiner Generation. „Es spürt doch jeder“, fühlte er heraus, „daß die bestehenden Generationsverträge spätestens dann schon nicht mehr funktionieren werden, wenn die heute Dreißigjährigen in Rente gehen.“ Den Altvorderen schrieb er ins Stammbuch: „Keine Generation ist befugt, die Freiheitschancen Nachgeborener zu riskieren.“ Und klagte die Chancen der FDP als „Fortschrittspartei“ ein, zu denen Gen-Technologie und Atomindustrie gehören. Das rot-grüne Hessen habe Siemens, und damit Arbeitsplätze, mit der Verlegung der Produktion von Brennelementen „regelrecht aus dem Lande geekelt“.

Vor dem Haus demonstrierte eine kleine Gruppe Menschen für den Abzug Rußlands aus Tschetschenien. Im Saal hatte Kinkel vorher den russischen Präsidenten aufgefordert: „Boris Jelzin, sorgen Sie dafür, daß in Tschetschenien wieder Frieden einkehrt.“ In Richtung der Grünen hatte er gebetet: „Gott bewahre uns vor diesen außenpolitischen Drückebergern.“

Ans Ende stellte Kinkel einen heftigen guten Wunsch für die Zukunft der eigenen Partei, den er einer der „Nostalgieindustrien“ entlehnte: „Glück auf!“

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