: Warum schrieb die amerikanische Stromwirtschft, die doch vom Stromverkauf lebt, für einen energiesparenden Kühlschrank 30 Millionen Dollar aus? Weil sie am Sparen verdient. Und warum verkauft Bauknecht das Gerät nicht hier? Von Felix Berth
ED 22 DLXB
Kann es sein, daß ein Kühlschrank eine Seele hat? Eine Seele, die bisher viel zu häufig vernachlässigt wurde? Oder sind die Ingenieure der US-Firma Whirlpool ein bißchen zu sehr in ihr neues Produkt verliebt, wenn sie seine technischen Details preisen als „soul of a new fridge“, als „Seele eines neuen Kühlschranks“? Wahrscheinlich eher letzteres, auch wenn die Begeisterung der Techniker ganz gut zu verstehen ist. Denn ihr neuer Kühlschrank geht so sparsam mit Energie um wie keiner vor ihm. Und er demonstriert gleichzeitig, wieviel clevere staatliche Energiepolitik erreichen kann: Hersteller kommen auf neue Ideen, Verbraucher sparen Energie, das Klima der Erde wird geschützt. Und das alles dank der „Seele eines neuen Kühlschranks“.
Aber der Reihe nach. Blenden wir zwei Jahre zurück. Damals, im Juli 1992, lobten mehrere US- Energieversorger einen völlig neuen Wettbewerb aus. Sie versprachen 30 Millionen Dollar für die Konstruktion eines extrem energiesparenden Kühlschranks. Nur ein Hersteller konnte die Millionen kassieren; „The winner takes it all“ hieß das Motto. Anfangs zögerten die Firmen, ob sie sich beteiligen sollten. Denn das Risiko, zu den Verlierern zu gehören, war natürlich groß. Andererseits erschien es ungeschickt, überhaupt nicht teilzunehmen, denn dann könnte irgendein Konkurrent ganz locker 30 Millionen Dollar einstreichen.
Die meisten großen Hersteller schickten ihre Ingenieure 1993 dann doch in den Wettkampf. Schon nach vier Monaten mußten sie ihre Pläne vorlegen, und die Jury konnte aus 14 Kühlschrank- Konstruktionen die effizienteste auswählen. Die Firma Whirlpool, in der Bundesrepublik unter dem Namen Bauknecht bekannt, lag schließlich vorne. Ihr Modell „ED22DLXB“ verringert die Stromrechnung – verglichen mit einem 15 Jahre alten Modell – jedes Jahr um 100 Dollar. Die Whirlpool-Manager kassierten den 30-Millionen-Scheck und bekamen gratis einen enormen Werbeeffekt dazu. Seit Oktober 94 ist der „ED22DLXB“ nun überall in den Vereinigten Staaten zu haben. Und bis 1997 sollen 250.000 Stück verkauft werden.
Spannend an diesem Prozeß ist nun weniger, wie Whirlpool es geschafft hat, den Energieverbrauch gegenüber sparsamen Neugeräten noch mal um 30 Prozent zu senken. Denn die technischen Tricks sind schnell erzählt: eine dickere Dämmung der Tür, dichtere Wände durch eine Vakuumisolierung, klügere elektronische Steuerung des Abtaumechanismus. Viel interessanter ist dagegen die Frage, woher die 30 Millionen Dollar für den Wettbewerb kamen.
Die Antwort ist aus deutscher Sicht völlig unverständlich: Es waren die US-Stromkonzerne, die die 30-Millionen-Prämie spendiert haben. Auf den ersten Blick ein ruinöses Programm: Sie geben viel Geld aus, damit sie weniger vom eigenen Produkt, dem Strom, verkaufen.
Doch die US-Stromfirmen haben in den achtziger Jahren begriffen, daß sie mit solchen Sparstrategien erheblich mehr verdienen können als mit dem schlichten Verkauf von immer mehr Strom. Den Wendepunkt markiert die Einsicht, daß neue Kraftwerke ungeheuer teuer sind und leicht über eine Milliarde Mark kosten. Würde der Stromverbrauch weiter ansteigen, wären dafür schnell riesige Investitionen nötig.
Also begannen die Stromversorger eine neue Rechnung: Wenn ein neues Kraftwerk gebaut werden sollte, überprüften sie vorher, ob man mit dem gleichen Geld nicht genausogut Energiesparmaßnahmen fördern könnte. Schnell zeigte sich, so der kalifornische Wissenschaftler Florentin Krause, daß die Sparlösung die billigere war – jedes „Einspar-Kraftwerk“ war billiger zu haben als ein echtes.
Solche Rechnungen unter dem Namen „least-cost-planning“ sind deshalb in den USA bei den Energieversorgern längst Standard. Doch in der Bundesrepublik macht dieses Schlagwort der „sparsamen Energieplanung“ erst allmählich die Runde. Dabei wäre „least-cost-planning“ natürlich auch in der Bundesrepublik sinnvoll. Florentin Krause schätzt in einer neuen Studie, daß in Deutschland allein durch bessere Haushaltsgeräte 15 Großkraftwerke eingespart, also abgeschaltet werden könnten. „Die Haushalte könnten dadurch pro Jahr zwischen einer und drei Milliarden Mark sparen“, prognostiziert der kalifornische Wissenschaftler.
Doch obwohl sich die US-Idee auch bis zu den bundesdeutschen Energieversorgern herumgesprochen hat, passiert hier noch relativ wenig. Manche Stadtwerke kopieren zwar eine alte US-Idee: Sie spendieren jedem Kühlschrankkäufer fünfzig oder hundert Mark, wenn er ein neues, sparsames Gerät anschafft. Doch während solche Sparprogramme in den USA mit Millionen Dollar unterstützt werden, ist ihr Umfang in Deutschland noch sehr gering. „Was wir in diesem Bereich machen, zahlen wir aus der Portokasse“, sagt Bernd Hagenberg von den fortschrittlichen Hannoveraner Stadtwerken.
Mehr als den Griff in die Portokasse erlaubt allerdings das deutsche Recht nicht. Denn das Energiewirtschaftsgesetz stammt aus dem Jahr 1935 – damals waren Begriffe wie Energieeffizienz oder „least-cost-planning“ noch völlig unbekannt. Wenn nun ein fortschrittlicher Energieversorger in großem Stil in Stromsparen investieren würde, käme sofort die Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes und hätte einen Einwand: „Das kostet ja Geld. Und das steigert den Preis für eine Kilowattstunde Strom.“ Das aber darf nach dem alten Gesetz den Stromkunden nicht zugemutet werden.
Was das alte Gesetz dabei übersieht, ist jedoch, daß die Kunden dadurch insgesamt weniger Strom verbrauchen – ihre Stromrechnung steigt also nicht. Dieter Schulte-Janson vom nordrhein- westfälischen Wirtschaftsministerium rechnet das mit einem Beispiel vor: „Mit einem alten Kühlschrank und zu einem Preis von 20 Pfennig pro Kilowattstunde kostet es vielleicht eine Mark, eine Flasche Bier kalt zu stellen. Wenn nun ein Stromkonzern Energiesparen fördert, steigt der Strompreis vielleicht auf 30 Pfennig. Doch weil der Verbrauch der Geräte sinkt, kostet das für den Kunden immer noch eine Mark.“
Eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes von 1935 könnte solche Rechnungen auch in der Bundesrepublik zulassen. Sie wird nun bereits seit fünf Jahren angekündigt – doch über die Diskussion in den zuständigen Ministerien kam die Regierung Kohl bis heute nicht hinaus.
Bleibt, nach so viel Lob für die US-Energiepolitik, nur noch eines zu ergänzen. Der prämierte Whirlpool-Kühlschrank „ED22 DLXB“ hat sagenhafte 600 Liter Volumen – für US-Verhältnisse zwar normal, aber trotzdem extrem aufwendig. Im Jahr verbraucht er deshalb 700 Kilowattstunden Strom, weit mehr als die viel kleineren deutschen Geräte. Was natürlich nichts daran ändert, daß hiesige Kühlschränke mit der US-Technologie wesentlich sparsamer arbeiten würden. So braucht selbst das effizienteste Gerät, das in der Bundesrepublik heute mit „Superisolation“ verkauft wird, pro Liter Volumen zwanzig Prozent mehr Strom als der „ED22 DLXB“.
Doch die Whirlpool-Tochter Bauknecht, die ja über die Technik verfügen würde, denkt nicht daran, in der Bundesrepublik eine kleine Version davon anzubieten: „Die Technik wäre auch bei unseren deutschen Geräten anwendbar, aber sie ist zu teuer“, sagt Marianne Stempka, Sprecherin von Bauknecht-Whirlpool. Bauknecht vermutet, daß keiner die teureren Kühlschränke kaufen würde. Offensichtlich fehlt eine Energiepolitik, die Manager und Käufer mit einer Prämie wie in den Vereinigten Staaten lockt.
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