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Presse-(ohne)-Druck

■ In Osteuropa häufen sich - nach der Abschaffung der Zensur - Verstöße gegen die Pressefreiheit

Für manche Zeitungen in Weißrußland sind die unabhängigen Zeiten härter, als es die sowjetischen waren. Anfang letzter Woche kündigte das „Weißrussische Pressehaus“, in der alle Printmedien des Landes gedruckt werden, die Verträge mit acht Periodika. Das Verdikt traf vier unpolitische Boulevardblätter und vier seriöse Zeitungen, darunter das Organ des weißrussischen Juristenverbandes, die führende Wirtschaftszeitung Belarusskaja Delowaja Gazeta und die oppositionelle Wochenzeitung Swaboda. Besonders letztere hat sich in Weißrußland seit der Unabhängigkeit einen Namen gemacht, mit der Aufdeckung von Vetternwirtschaft und Korruption der Mächtigen. Schon vor einem Jahr wurde ihr deshalb ein Druckverbot erteilt – auf Anweisung des damaligen kommunistischen Premierministers Wjatscheslaw Kebitsch. Anschließend verlor der die Wahlen, der neue starke Mann heißt Lukaschenko – nicht zuletzt dank Swabodas Enthüllungen gegen Kebitsch. Nun hat auch Lukaschenko zu den Methoden seines Gegners Zuflucht genommen. Wie ein Vertreter des Swaboda-Verlags der taz mitteilte, kam der Befehl an das Druckzentrum, den Vertrag nicht zu verlängern, direkt von einem hohen Beamten der Lukaschenko-Kanzlei. Man will ihn demnächst im Wortlaut veröffentlichen, sobald eine neue Druckmöglichkeit gefunden ist. Die Suche gestaltet sich allerdings schwierig, denn das „Weißrussische Pressehaus“ hat ein Monopol.

Zu Gorbatschows Zeiten wurde die Swaboda in Litauen gedruckt und per Lastwagen ins Land gebracht. Doch damals existierte noch keine offizielle Grenze mit Weißrußland. Pawel Schuk, Chef des Swaboda-Verlags: „Inzwischen gibt es Grenzkontrollen, und wir müssen damit rechnen, daß die Auflage dann konfisziert wird.“ Außerdem seien die Druckkosten seit der litauischen Wirtschaftsreform und durch die neuen Einfuhrzölle unbezahlbar.

Am lezten Mittwoch demonstrierten in der Innenstadt von Minsk Belegschaften und Leser der verbotenen Zeitungen gegen die vielfältigen Zensurversuche. Bereits im Dezember erschienen die Narodna Hazeta und die Sowjetskaja Belarussia mit weißen Flecken, weil das Präsidialamt dieVeröffentlichung eines Parlamentsberichts über Korruption verboten hatte, in dem auch Lukaschenko nahestehende Politiker vorkamen. Das Vorgehen der weißrussischen Behörden ist der bisher drastischste Verstoß gegen die Pressefreiheit im nachsowjetischen Osteuropa.

Auch in der Ukraine kam es schon zu Druck auf einzelne regierungskritische Zeitungen, allerdings nicht zu offenen Verboten. In der ehemaligen Sowjetunion werden immer noch zahlreiche Zeitungen vom Staat subventioniert, was diesem weitgehende Eingriffsmöglichkeiten gibt. So mußte vor den ukrainischen Präsidentschaftswahlen im letzten Jahr die unabhängige Tageszeitung Respublika ihr Erscheinen einstellen, weil die Geldgeber politischem Druck aus der Umgebung von Präsident Krawtschuk nachgegeben hatten, wie Redaktionsmitglieder zu verstehen gaben. In der Ukraine kam es auch mehrfach zu Überfällen auf Journalisten, der Redakteur einer ostukrainischen Zeitung wurde wegen eines kritischen Artikels sogar in Haft genommen.

In Warschau, Bratislava und Budapest gehen die Behörden meist etwas subtiler gegen die Presse vor. Dort versuchen die Regierungen bisher nur, die staatlichen Medien, besonders das Fernsehen, auf Linie zu bringen. Der slowakische Premier Mecziar setzte 1993 seine knappe Parlamentsmehrheit ein, um die Mehrheitsverhältnisse im Landesfernsehrat zu kippen. Polens Präsident Walesa tat es ihm 1994 erfolgreich nach. Derzeit forciert die Warschauer Regierung einen Gesetzentwurf, der ihr die staatliche, aber bis jetzt noch relativ unabhängige Polnische Presseagentur unterstellen würde, während das den Sozialdemokraten nahestehende Finanzministerium dem rechtsgerichteten Fernsehintendanten einen Kontrolleur nach dem anderen auf den Hals schickt. In Ungarn wurden vor den Parlamentswahlen im letzten Jahr 129 Journalisten aus den staatlichen Medien entlassen, 30.000 Demonstranten protestierten in Budapest dagegen.

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, daß die Pressefreiheit in Osteuropa häufig direkt von der Privatisierung abhängt. Nur dann gibt es vom Staat unabhängige Investoren, die den staatlichen Medien Konkurrenz machen können und ihrerseits deren Konkurrenz ausgesetzt sind. Wo das fehlt, bestimmen die Behörden – direkt durch Subventionen oder indirekt über ihren Einfluß auf die Staatsbetriebe als Herausgeber – über diejenigen, die eigentlich die Politik kontrollieren sollten. Nebenbei bemerkt: Formell ist die Zensur in allen diesen Ländern längst abgeschafft. Klaus Bachmann, Warschau

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