„Getroffene Hunde bellen am lautesten“

Dank Dollarspekulationen sind zwei Drittel des Vermögens verschwunden: PDS-Spitze von Sachsen- Anhalt bleibt dennoch im Amt / Vertrauensfrage glücklich überstanden  ■ Aus Magdeburg Eberhard Löblich

Tiefes Durchatmen bei Roland Claus. Mit deutlicher Mehrheit sprachen die Mitglieder des erweiterten Landesvorstandes ihm, seinen Stellvertreterinnen Rosemarie Hein und Sabine Dirlich sowie Landesgeschäftsführer Michael Entrich am Samstag das Vertrauen aus. Alle vier mußten die Vertrauensfrage stellen, nachdem PDS- Landeskassierer Rolf Bernhardt bei dubiosen Dollar-Termingeschäften 210.000 Mark und damit rund zwei Drittel der Rücklagen verspekuliert hatte. Bernhardt war im Dezember zurückgetreten.

Nicht alle Mitglieder des erweiterten Landesvorstandes haben noch Vertrauen zu Claus und Co. „Ich habe ihnen das Vertrauen entzogen“, sagte Heinz-Friedrich Vellguth und legte sein Amt im 30köpfigen Landesvorstand nieder. „Mit denen kann ich nicht mehr zusammenarbeiten.“

Heftig kritisiert wurden die vier Mitglieder des geschäftsführenden Landesvorstandes, weil sie bereits im Juni erste Hinweise auf dubiose Geldanlagen bekommen hatten, diesen aber nicht nachgegangen waren. „Ich habe geglaubt, daß das normale Festgeldanlagen waren“, sagt Claus. „An mögliche Währungsspekulationen habe ich nicht einmal im Traum gedacht.“ Selbst auf dem Höhepunkt des Hungerstreiks wegen der Steuernachforderungen des Finanzamts an die Bundes-PDS noch nicht. „Ich habe sogar dem Bundesvorstand unsere finanziellen Reserven angeboten, als dessen Konten wegen der Steuernachforderung gesperrt waren“, sagte Claus.

Gerade wegen dieser Blauäugigkeit mußte sich Claus heftige Kritik gefallen lassen. Der geschäftsführende Landesvorstand habe seine Kontrollfunktion sträflich vernachlässigt, hieß es. „Da ruft die Partei öffentlich für den Wahlkampf zu zinslosen Krediten aus der Basis auf, und gleichzeitig machen wir solche Finanzgeschäfte“, ereiferte sich der Staßfurter Kreisvorsitzende Rolf Funda.

Er fand das damals schon „unanständig“, daß die PDS Wahlkampf auf Pump macht, anstatt die Rücklagen anzugreifen, sagte Funda. „Wenn ich damals schon wie einige andere von unserem hausgemachten Finanzskandal gewußt hätte, hätte ich sicher noch viel schärfer reagiert.“ Selbst nach dem Bekanntwerden des Skandals gab's Informationen für die Basis oft nur aus zweiter Hand. „Die Kreisvorsitzenden wurden zwar nach Magdeburg eingeladen“, sagte Funda, „aber erst auf der Fahrt hierher haben wir im Autoradio erfahren, worum es überhaupt geht.“ Und Parteimitglieder, die nicht im Landesvorstand sind, wurden bei dessen Sitzungen zum Finanzskandal vor die Tür gesetzt. Satzungswidrig, denn in den Statuten der PDS ist vorgeschrieben, daß alle Gremiensitzungen grundsätzlich parteiöffentlich sind.

Das Wort „grundsätzlich“ ist ohnehin der Kackpunkt bei den verjuxten Parteigeldern. Ein kleines Wort mit großer Wirkung. Denn in der Finanzordnung der PDS Sachsen-Anhalt heißt es, daß „grundsätzlich für alle Kontobewegungen zwei Unterschriften notwendig“ sind. „Grundsätzlich“ heißt nach Interpretation der Landesschiedskommission aber nicht „ohne Ausnahme“. Schatzmeister Bernhardt machte die Ausnahme zur Regel. „Das war seit drei Jahren so üblich“, sagte er und tut jetzt sehr zerknirscht. „Mein Beweggrund für die Dollarspekulationen war ja, das Vermögen des Landesverbandes zu mehren, und nicht, es zu schmälern“, sagte er. So glaubhaft, daß die PDS ihren Ex-Kassenwart nicht beim Staatsanwalt anschwärzen will. Ob sie zivilrechtliche Forderungen geltend machen kann, prüft derzeit ein Rechtsanwalt aus dem Westen. „Unerhört, daß man damit nicht unsere eigenen Juristen beauftragt hat“, empörte sich Funda.

Für Roland Claus ist das Ganze weniger ein finanzielles oder ein juristisches Problem, sondern ein politisches. „Ich will ausdrücklich sagen, daß linke Politik und Spekulationsgeschäfte unvereinbar sind“, sagte er. „Auch im Falle eines finanziell positiven Ausgangs hätte es einer Kritik bedurft.“

So sah das auch Bundesschatzmeister Dietmar Bartsch, der an die Elbe gekommen war, um sich für den angeschlagenen Landesvorsitzenden in die Bresche zu werfen. „Es geht um die Handlungsfähigkeit der PDS Sachsen- Anhalts, und das ist nun wahrhaftig mehr als diese Finanzsache.“

Tatsächlich drohte vor der entscheidenden Abstimmung nicht nur ein Machtvakuum an der Spitze der Landespartei, sondern auch eine Verschiebung ihrer internen Kräfteverhältnisse. „Im Landesvorstand und in der Landtagsfraktion sind überwiegend Erneuerer vertreten“, sagte im Vorfeld der Landtagsabgeordnete Matthias Gärtner, selbst erst seit 1991 in der PDS. „Aber in vielen Kreisen sitzen schon wieder Altfunktionäre der SED, von denen viele noch dem alten Denken anhängen.“ Eine Aussage, die Gärtner viel Prügel eintrug. Der nahm es genauso wie ein anderer SED- Altgenosse gelassen: „Getroffene Hunde bellen am lautesten.“

Für Erneuerer Roland Claus ist die Sache nach der Vertrauensabstimmung womöglich noch nicht ausgestanden. Zahlreiche Mitglieder des erweiterten Landesvorstandes verlangen von ihm, auf einem Sonderparteitag noch einmal die Vetrauensfrage zu stellen. „Wenn die Mehrheit des Parteitages das wünscht, bin ich dazu bereit“, sagte Claus. Vor allem müssen die Parteitagsdelegierten aber einen neuen Schatzmeister wählen. Denn ein Drittel ihrer Rücklagen hat die Partei ja noch.