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■ Die Berliner FDP am EndeLavieren am Abgrund

Mit Vehemenz wehrt sich der Berliner FDP-Chef Rexrodt gegen den Vorwurf, sein Landesverband werde von Rechtsradikalen unterwandert. Das kürzlich von einer Gruppe um den rechten FDPler und früheren Generalbundesanwalt Alexander von Stahl auf den Medienmarkt geworfene Strategiepapier ziele „in der Summe der Positionen“ darauf ab, die Partei nach rechts zu bewegen. Der moderate Tonfall ist nicht zu überhören. Rexrodt, der ungeliebte Kapitän eines langsam untergehenden Spreedampfers, will alle Luken dicht halten. Wer weiß, ob nicht jemand in selbstmörderischer Absicht noch ein wenig mehr Wasser hineinlassen will, als ohnehin schon im Kahn ist. Machtkämpfe und Intrigen gehören zur Geschichte der Berliner FDP. Wie in keinem anderen Landesverband standen sich die Flügel zu Westberliner Zeiten gegenüber. Als Puffer diente eine breite Mitte, die im Zuge des Auszehrungsprozesses dahingeschmolzen ist. Nun droht der völlige Riß. Rexrodt ist nicht mehr als ein farbloser Sachverwalter. Inhaltlich hat er seit dem Rücktritt seiner linksliberalen Vorgängerin Carola von Braun nicht einen neuen Gedanken in die FDP-Debatte gebracht. Mit der Buhlerei um den neuen Mittelstand oder das Bildungsbürgertum im Osten wird die Berliner Partei keinen Prozentpunkt gewinnen, wenn zugleich ihr Landesvorsitzender als Bonner Wirtschaftsminister von Zeit zu Zeit auf der neoliberalen Klaviatur spielt. Statt die inhaltliche Diskussion – die von den Rechten medienwirksam losgetreten wurde – zu suchen, retten sich Rexrodt und sein Landesvorstand in die Landesliste. Sie zwingt rechte und linke Flügel zur Zusammenarbeit. So wird ein Gemischtwarenladen in den Wahlkampf ziehen: Der eine Kandidat zieht das Einbürgerungsgesetz aus dem Regal, und der andere biete die nationale Droge feil. Das mag ausgewogen und sehr demokratisch sein. Mit Liberalität hat es wohl weniger zu tun. Wohl eher mit Lavieren. Severin Weiland

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