■ Europaschulen
: Türkisch hat kein Sozialprestige

„Ich finde es bedauerlich, daß die türkische Sprache und Kultur in Deutschland nicht als gleichwertig angesehen wird.“ Ertekin Özcan vom Türkischen Elternverein ist über das bisher magere Interesse an einer türkisch-deutschen Europaschule frustriert. Mindestens 24 deutsche Kinder sind als Ausgangsbasis notwendig, um zwei Vorschulklassen zu bilden, in denen beide Sprachen gleichwertig unterrichtet werden. Initiativen türkischer Elternkreise sowohl aus Charlottenburg als auch aus Kreuzberg scheiterten bislang daran, daß sich nicht genug deutsche Eltern finden, die bereit sind, ihre Kinder in eine solche Schule zu schicken. Jetzt hofft man mit gebündelten Kräften auf mehr Erfolg und hat bereits das Schuljahr 95/96 als möglichen Einführungstermin anvisiert. Der Kreuzberger Volksbildungsstadtrat Dirk Jordan (Bündnis 90/Grüne) ist jedoch skeptisch, ob man bis Februar, wenn die Anmeldefristen zum neuen Schuljahr ablaufen, so viele deutsche Schüler zusammentrommeln kann. „Migrantensprachen haben eben nicht so ein hohes Sozialprestige wie Diplomatensprachen. Außerdem spielt die kulturelle Nähe eine ziemlich große Rolle. Die italienisch-deutsche Schule z.B. fand einen viel größeren Anklang.“ Jordan hofft, die deutschsprachigen Kinder hauptsächlich aus türkisch-deutschen Familien zu rekrutieren. Denkbar wären auch Kinder zweiter oder dritter Generation, die zu Hause hauptsächlich deutsch sprechen. „Daß deutsche Eltern ihre Kinder aus Altruismus in eine türkisch- deutsche Schule schicken, brauchen wir uns nicht vorzumachen. Sie brauchen eine tragfähigere Motivation, damit die Klassen bis zur Oberstufe erhalten bleiben.“ Ertekin Özcan glaubt dagegen mit mehr Aufklärungsarbeit deutsche Eltern für das Projekt gewinnen zu können. Die bisherigen zweisprachigen Unterrichtsangebote seien nicht zufriedenstellend. „Sie entsprechen nicht dem multikulturellen Bild der Gesellschaft, weil sie Türkisch nur als Zweitsprache behandeln.“Tanja Hamilton