: Sieg des Hausfraulichen
■ Schlagerstar Marianne Rosenberg tut's nur noch für Ehemann und Girokonto. Ein Abgesang
Sieg des Hausfraulichen Schlagerstar Marianne Rosenberg tut's nur noch für Ehemann und Girokonto. Ein Abgesang
von Jan Feddersen
Seit acht Wochen liegt ihr neuestes Tronträgerprodukt in den Regalen. Selbst das Weihnachtsgeschäft konnte dem Absatz von „5 Tage und 5 Nächte“ nicht auf die Sprünge helfen: Marianne Rosenberg verkauft sich mies.
Ihre Plattenfirma schweigt sich darüber aus, wie viele Leute bislang das „Testament einer Tournee“ (so ihr jüngster Produzent, TV-Regisseur Horst Königstein) hören wollten – was als nachrichtensperriges Zeichen zu nehmen ist, daß es sich nur um einen orchideenhaft kleinen Kreis von Ewigtreuen handeln dürfte. Warum nur bleibt er aus, der Erfolg? Ist seit den frühen Achtzigern der Rosenberg nicht Wunderbares widerfahren? Hat es denn nichts genützt, daß ihr Fans und Freunde in den Redaktionen über Tempo und Süddeutsche Zeitung, aber auch in der alten Tante Zeit publizistisch unter die Arme griffen? Und war dabei nicht immer wieder von der einzigen deutschsprachigen Popsängerin die Rede, die diesen Namen verdient?
Zurück ins Jahr 1969, wo eine Geschichte begann wie aus dem Märchen. Im eingemauerten Berlin, inmitten der großen, bösen Studentenbewegung, lebte ein junges Girl, Sprößling einer Roma-Familie. Nichts anderes hatte es im Sinn, als eine Sängerin zu werden. Die Legende will es, daß viele Rolltreppenfahrten, vorbei an Spiegeln – ein Zahnbürstenetui diente ihr als Mikro – ihr früh eine gewisse Kamerasicherheit verliehen. Es heißt außerdem, ihre Zimmerwände seien mit Bravo-Postern zugepflastert gewesen. Ihr Liebling war ein Schmusejunge: Nicht Lennon mit seinem intellektuellen Habitus, sondern sein der Liebe zugetaner Gegenpol – Paul McCartney. „Mr. Paul McCartney“ hieß denn auch das schlecht gesungene, nervöse Liedchen, das sie in die Herzen der „ZDF-Hitparade“-Gemeinde katapultierte, die damals das Wohl und Wehe des deutschen Popbusineß bestimmte. Der Rest der Geschichte dürfte bekannt sein. Bis Ende der siebziger Jahre war die Rosenberg die größte Hitsängerin Westdeutschlands. Ihre Songs – „Lieder der Nacht“, „Fremder Mann“, „Ich bin wie du“ oder auch „Marleen“ – waren so modern, so poppig, so up to date, daß die Rosenberg locker und glaubwürdig auf der gerade beginnenden Discowelle mitschwimmen konnte. Kolleginnen wie Gitte Haenning, Katja Ebstein oder selbst Ina Deter nahmen sich gegen die Berliner Anklägerin „Marleens“ wie verschnupfte Matronen aus.
Die Rosenberg war politisch, sagen wir inkorrekt. Gesellschaftliche Relevanz war von ihr nicht zu erwarten, statt dessen: Liebe, Kummer, Schmerz, Gefühle des Verlassenwerdens, Tragik und die leise Hoffnung auf Triumph. Marianne Rosenberg war eine Schlagersängerin, eine der letzten, schon unzeitgemäßen, und genau das brachte ihr all jene als Fans, die von ihrer Zeit auch nicht gerade hofiert wurden: Frisösen, Verkäuferinnen und schwule Männer. Und so hätte alles gut enden können, hätte das Schicksal nicht abermals zugeschlagen: Sie wurde volljährig.
Ihre Platten gingen immer schleppender über die Tresen. Ihre KundInnen waren offenbar selbst erwachsen geworden und für Bravo-Phantasien kaum mehr zu begeistern. Kein Wunder, daß der Plattenvertrag nicht verlängert wurde. Ohnedies wurde ihrem neuen Produzententeam klar, daß die Rosenberg sich bestenfalls selbst verkauft – glamouröse Eigenbeiträge, etwa zitierfähige Sätze, kamen aus ihrem Mund nie. Was folgte, war ein Drama in mehreren Akten: abgesagte Tourneen, verhaßte Live-Auftritte, verprellte Rest-Fans.
Anfang der Achtziger schließlich mußte die Rosenberg etwas tun, um sich über Wasser zu halten. Geld gespart hatte sie kaum etwas. So wie andere Frauen ins Büro mußten, ob ihnen der Gruppenleiter gefiel oder nicht, mußte die Rosenberg ans Mikro. Doch was sollte sie singen? Die ollen Kamellen? Waren noch nicht wieder en vogue. Gott sei Dank gab es die Neue deutsche Welle. Auf ihr segelte sie wieder ein wenig nach oben: Camp war das Zauberwort, die Verehrung von sinnfreier Ware, von peinlichem Geschmack und pelziger Handelsware.
Die „Toten Hosen“ nahmen sich ihrer an, die Berliner Theken- Boheme folgte. Und letztlich war es genau diese Adelung des armen kleinen Schlagermädchens zur Betriebsnudel der aus Funk und Fernsehen bekannten „Nachtschwärmer“, die ihr zum Verhängnis wurde. Die Rosenberg wurde zum hype, sie wurde feuilletonfähig. Es muß so etwa 1983 gewesen sein, als neue Musikredakteure in den deutschen Blättern beschlossen, ihrem bildungsbürgerlichen Status neue Elemente hinzuzufügen. Das war ungefährlich, weil man sich nicht wirklich gemein machen mußte mit den Leuten, die kein BAT IIa allmonatlich bezogen. Es war einfach très chic, ihre Lieder, Oldies und Evergreens allesamt, zu hören.
Doch alle ihre neuen Platten verkauften sich nicht, die Rosenberg blieb ein Appendix ohne eigenes Begehr. Und folglich gab es für sie kein ehrenvolles Alterungsmodell – weder das des ewig naiven Mädchens noch das der eigenwilligen Diva. Während Leute wie Howard Carpendale, Peter Maffay, Marius Müller-Westernhagen, Herbert Grönemeyer oder Roland Kaiser – von denen drei ihre Karriere zum gleichen Zeitpunkt begannen wie die Rosenberg – nach anfänglicher Schlagerseligkeit sich auf die Vertonung eigener Konzepte verlegten, wissend, daß ihre Anhängerschaft geschmacklich mit experimentieren würde, war die Rosenberg schlicht zu faul und zuwenig feministisch inspiriert, als daß ihr dieser Akt hätte gelingen können.
Liegt es am Patriarchat? Die deutschen Frauen, die sich „durchsetzten“, waren tatsächlich meist nur Kopisten der Männer-Rockwelt: Inga Rumpf oder Joy Fleming – Frauen ohne Lobby, ohne Ideen und diese gewisse Härte, ohne die kein männliches Produzententeam in die Knie gezwungen werden kann. Die Rosenberg hätte dieses Eisige, wie ihr Horst Königstein attestiert, „dieses Ungebrochene, Unverzeihliche“ ausbauen können. Doch letztlich obsiegt bei ihr, nun, das Hausfrauliche.
Gewiß, auch einer Marianne Rosenberg würden alle verzeihen, gäbe sie zu, viele Tränen beim Zwiebelschneiden zu vergießen: Hausfrauen im Showbusineß gibt es in den USA zuhauf. Der Unterschied aber zwischen beispielsweise ihr und Bette Midler ist der, daß die Rosenberg das als echtes Problem formulieren würde, die Midler dagegen lässig darauf hinwiese, daß sie sich inzwischen einen Zwiebelschäler leisten könne, der außerdem noch Klasse im ... na dort eben sei.
Das wäre eine Vision, die verstanden würde von den Plattenkäuferinnen: Sie ist eine wie wir, doch nicht völlig distanzlos. Doch Marianne Rosenberg ist nicht die Midler, sie singt nicht von Beutezügen durch die nächtliche Großstadt. Im Interview gibt sie meist ungefragt zu, Mann und Kind zu Hause zu haben, sich auf sie zu freuen wie auf nichts anderes in der Welt, sagt, daß sie ihren Job gerne macht und – natürlich – noch singen müsse, denn schließlich könne auch sie kein Girokonto haben, ohne entsprechende Eingänge zu verzeichnen.
Ihre neue CD legt davon Zeugnis ab: Hier und da ein paar glänzende Einfälle aus dem Fundus Königsteins, da und dort ein paar Textchen, die von Einsamkeit handeln und vom Scheitern der Liebe. Mitreißendes? Beinharte Sentimentalitäten? Keine Spur. Und: Will jemand so etwas hören, daß sie nur ihren Job macht? Hören von einer Frau, die in der (ungesungenen) fünften oder sechsten Strophe zu „Marleen“ die Konkurrentin ermordet hätte, fies und infam? Die Rosenberg von heute – ein Produkt aus dem Designerlabor von Leuten, die Proll toll finden und die Rosenberg für eine probate Waffe wider den besseren Geschmack.
Und ihr Publikum spürt das: Die schwulen Männer greifen lieber zu LuciLectric (“Hey, Süßer“), die Frisösen gleich zu Madonna oder Sandra, und die Verkäuferinnen kreischen Take That an. Die Platten der Rosenberg – ein Flop.
„5 Tage und 5 Nächte“ ist eine CD, wie sie liebevoller und professioneller momentan nur Müller-Westernhagen oder Grönemeyer produzieren würden. Allein es sind meist nur die Oldies, eben Evergreens als Unterpunkte eines „Testaments“. Denn die Tournee, die immer mal wieder stattfinden sollte, hat die Rosenberg im letzten Herbst wieder abgesagt, selbst bei Fernsehsendungen im vergangenen Mai brachte sie nur mühsam lippensynchrones Playback über die Bühne.
Und wenn sie neuere Produktionen bringt wie auf der CD „Feuerrosen“, hört sich das an wie das Mädchen, das immer und immer wieder nur Paul McCartney anbetet, verloren gewiß in den Armen es schlecht meinender Männer. Sie wird nicht erwachsen, ihres stets schwarzen Outfits zum Trotz. Das haben ihre früheren Fans ihr voraus: Sie wissen, daß das Leben weitergeht. Vielleicht weiß es auch Marianne Rosenberg. Nur singt sie nicht davon.
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