: USA: Prozeß gegen Scheich
■ Anklage wegen Aufstachelung zum "Heiligen Krieg" in New York
New York (AFP/wps) – Wegen Aufstachelung zum „Heiligen Krieg“ stehen seit Montag in New York zwölf radikale Islamisten vor Gericht. Der prominenteste ist der ägyptische Islamistenführer Scheich Omar Abdel Rahman, der beschuldigt wird, mit seinen fanatischen Reden einen „Terror-Krieg“ in Städten der USA heraufbeschworen zu haben.
Der Verdacht auf eine islamistische Verschwörung zum Kampf gegen die USA kam nach dem Anschlag auf das World Trade Center vom Februar 1993 auf. Bei dem Anschlag waren sechs Menschen getötet und etwa 1.000 weitere verletzt worden. Vier Islamisten waren daraufhin im Mai 1994 zu insgesamt 240 Jahren Haft verurteilt worden. Im Verlaufe des Prozesses hatte sich der Verdacht erhärtet, daß Omar Abdel Rahman der Anstifter des Anschlags war.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft haben die zwölf Angeklagten noch weitere Anschläge in New York geplant, darunter auf den Sitz des FBI und der Vereinten Nationen, auf jüdische Juweliergeschäfte sowie gegen Tunnel und Brücken, die Manhattan mit New Jersey verbinden. Die Angeklagten, allesamt Mitglieder der radikalen „Dschamaa Islamija“ (Islamische Gruppe), hätten sogar ein Attentat auf den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak vorbereitet.
Anders als beim Prozeß wegen des Anschlages auf das World Trade Center liegt diesmal kein hartes Beweismaterial vor. Das Belastungsmaterial, das die Bundespolizei FBI gegen die elf übrigen Angeklagten zusammengetragen hat, basiert zum größten Teil auf Informationen eines verdeckten Ermittlers namens Emad Ali Salem. Dieser, ein ehemaliges Mitglied der ägyptischen Armee und des Geheimdienstes, hatte sich an einige der Angeklagten herangemacht und stand kurze Zeit mit ihnen auf vertrautem Fuß. Während dieser Periode nahm er heimlich 150 Stunden Gespräche auf und machte Videoaufnahmen. Auf den Bändern sind Ausagen zu hören wie „Gott schütze dich, Scheich! Bumm! das wird die Welt verrückt machen!“ Gegenstand der Unterhaltungen sind Ausflüge zu möglichen Anschlagsorten oder die Angst, abgehört zu werden. An einer Stelle jammert einer der Angeklagten: „Wir machen was, und wir werden erwischt.“ Auf einem Band allerdings spricht sich der Scheich gegen ein Attentat gegen das Gebäude der Vereinten Nationen aus, weil dies „das Wasser des Islam trüben“ werde. Ein gefundenes Fressen für die Verteidigung.
Die Anwälte dürften auch davon profitieren, daß Salem nicht nur die Angeklagten abgehört hat, sondern auch seine eigenen Gespräche mit dem FBI. Das wirft für die Verteidigung die Frage nach seinen wirklichen Motiven und seiner Glaubwürdigkeit auf. Zudem werden die Anwälte der Angeklagten auf die Religionsfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung pochen. Die inhaftierten Angeklagten streiten jegliche Schuld ab.
Der 56jährige Rahman war bereits im April 1994 in Kairo in Abwesenheit zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden, weil er eine regierungsfeindliche Kundgebung organisiert hatte, bei der ein Polizist verletzt worden war. Ein weiterer Angeklagter wurde wegen Mordes bereits zu 22 Jahren Haft verurteilt. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich bei den Aktionen der Angeklagten nicht um „einzelne Akte unüberlegter Brutalität“, sondern um einen organisierten Kampf.
Der Prozeß begann mit der Auswahl der Jury. Angesichts seiner Brisanz wird allein dieses Verfahren nach Angaben aus Justizkreisen mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen. Die Verteidigung hat bereits deutlich gemacht, daß sie jüdische Geschworene ablehnen wird. Zudem werden sich einige mögliche Geschworene aus Furcht vor Repressalien dieser Aufgabe entziehen.
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