: Billige Bouletten auf edlem Porzellan
Immer mehr Städte erheben Steuern auf Einweggeschirr / Gewerkschaft fürchtet um Arbeitsplätze ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Die Papierkörbe sind schon längst übergequollen, auf dem Boden liegen Dosen, Plastikschälchen und -gabeln. Einen solchen in die Fläche verteilten Müllberg soll es ab 1. April in Kiel nicht mehr geben. Die Stadt erhebt dann nach dem Vorbild von Kassel Steuern auf Einweggeschirr. Imbißbudenbesitzer oder Kantinenbetreiber, die ihre Kunden künftig auf Einmalgeschirr abspeisen wollen, müssen 50 Pfennig pro Teller, einen Groschen pro Messer oder Löffel und 40 Pfennig für Dosen bezahlen.
Mit etwa 350.000 Mark rechnet der Stadtkämmerer im Jahr, Tendenz sinkend. Denn wie sich in Kassel gezeigt hat, stellen sich die Schnellrestaurants schnell um. In Kassel sind nur noch 22 Fast-food- Läden abgabepflichtig, fast alle Filialen von Ketten wie McDonalds, die keine Ausreißer aus ihrem Gesamtkonzept hinnehmen wollen. Auch Frankfurt am Main hat zum Jahresanfang eine ähnliche Regelung eingeführt und rechnet mit Einnahmen von etwa 1,2 Millionen Mark. Wichtiger als die Füllung der Stadtkasse ist aber auch hier die Abfallvermeidung.
„Mit der Verpackungssteuer gefährden die Städte Arbeitsplätze und Existenzen im Imbißbereich“, behauptete der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG), Franz Josef Möllenberg in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Dieses Argument sieht der Sprecher des Frankfurter Stadtkämmerers Tom König, Rainer Vollweiter, nicht ein. In Frankfurt sind mehrere mobile Spüldienste tätig, und die bekommen durch die neue Regelung vermutlich neue Kunden. Beim ABM-Projekt Werkstatt Frankfurt beispielsweise sind zur Zeit etwa 30 Leute damit beschäftigt, Porzellan- und Glasgeschirr von Großveranstaltungen zu reinigen; mit 15 bis 20 Arbeitsplätzen zusätzlich rechnet jetzt Werkstattleiter Detlef Schabicki. Die meisten Imbißbuden allerdings dürften eine eigene Spülmaschine anschaffen.
Aus steuerrechtlichen Gründen gilt die Einweggeschirr-Regelung nur für Speisen und Getränke, die unmittelbar vor Ort konsumiert werden. „Wir können nur besteuern, was nachweislich auf unserem Stadtgebiet verzehrt wird“, so Vollweiter. Auch hierüber meckert Gewerkschafter Möllenberg: „Wenn es tatsächlich um Müllvermeidung ginge, dann müßte diese Steuer für alle gelten, beispielsweise auch für Discounter, die Getränke und Fertiggerichte in Einwegdosen oder -flaschen verkaufen.“ Recht hat er – nur liegt das nicht im Machtbereich der Städte.
Die Getränkeautomatenaufsteller und McDonalds wollen nun Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erheben. Vollweiter ist aber optimistisch, daß sie scheitern, nachdem das Bundesverwaltungsgericht im letzten Jahr der Stadt Kassel recht gegeben hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen