piwik no script img

Bei Männern blocken die Frauen

■ Ende der Frauenstation bei Dr. Heines heißt Ende einer stationären Behandlung sexuell mißbrauchter Frauen: „Wo sollen die jetzt hin?“

Es wird in Bremen künftig keine Therapiestation für Frauen mit sexueller Gewalterfahrung mehr geben. Die Oberneulander Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Heines wird bis Ende Februar ihre „Station von Frauen für Frauen“ (die „B 4“) auflösen. „Wir haben die Erfahrung machen müssen, daß wir langfristig überfordert sind, wenn wir mit der sonst üblichen Zahl an Betreuungspersonal arbeiten müssen – das ist unverantwortlich“, sagt die Projektleiterin, Oberärztin Dagmar Erwes.

Die Therapie-Station wird sich nun männlichen Patienten wie männlichem Personal wieder öffnen und gibt damit ihre Spezialisierung auf die Behandlung von Frauen mit sexueller Gewalterfahrung auf. Die Mitarbeiterinnen vom Bremer Frauentherapiezentrum und vom „Notruf“ für vergewaltigte Frauen sind sich einig: „In gemischte Stationen gehen die Frauen aber nicht, männlichen Therapeuten gegenüber blocken sie sowieso, und wir wissen wieder nicht, wohin mit ihnen.“ Die Klinik Dr. Heines hatte eine Bedarfslücke geschlossen, als sie 92 neben Bielefeld und Bad Wildungen die bundesweit dritte Frauenstation dieser Art gründete. „Viele Frauen wollen von sich aus auf Station“, weiß Ulrike Kretschmann vom „Notruf“.

Das müssen nicht unbedingt „besonders schwierige Fälle“ sein. Auf B 4 bei Dr. Heines sind sexuell mißbrauchte Frauen untergekommen, die während einer ambulanten Therapie in eine Krise geraten sind, die ihren Alltag nicht mehr bewältigen konnten. Oder aber sie kamen in der ambulanten Therapie nicht an sich ran, „ließen den Deckel drauf“. Bei vielen Frauen löst in der Therapie das Sprechen über die Vergewaltigung Selbstmordgedanken aus. Sie haben dann den geschützten Rahmen der Station umso nötiger.

Zwei Therapeutinnen – davon eine Ärztin, eine Psychologin –, eine Oberärztin und drei Schwestern arbeiten auf der B 4. Das Pflegepersonal ist rund um die Uhr anwesend. Sie haben mit großer psychischer Belastung und selbst mit gesundheitlichen Beschwerden zu kämpfen, weil die Angst der behandelten Frauen meist zunimmt, wenn die Therapeutinnen nach Hause gegangen sind. „Wir bräuchten drei weitere Schwesternplanstellen für eine zusätzliche Dauerpräsenz und eine Körpertherapeutin“, so Oberärztin Dagmar Erwes.

26 von insgesamt 234 Betten im Haus nimmt die Station B 4 für sich in Anspruch, und davon standen durchweg 10 Betten Frauen mit sexueller Gewalterfahrung zur Verfügung. Ständig kommen andere Frauen aus anderen Stationen hinzu, denn auf B 4 ist es möglich, sexuellen Mißbrauch zum Thema zu machen.

So nach und nach hat auch das ganze Haus die Notwendigkeit einer reinen Frauenstation eingesehen. Von „radikalfeministischen Männerhasserinnen“ redet inzwischen niemand mehr, und auch Maria Mensen, Verwaltungsdirketorin im Auftrag des Trägers, des Christlichen Sozialwerk-Krankenhausbetriebs-GmbH, findet das Projekt „weiter gut“. „Wir können aber frühestens ab Januar 96 bei den Krankenkassen zusätzliches Personal beantragen, das hat jetzt keinen Sinn.“ Stimmt so nicht ganz, meint dazu Klaus Stratmann, Vertragsreferent der AOK, es gebe unter bestimmten Voraussetzungen schon vorher Möglichkeiten der Leistungserhöhung. Doch niemand habe mit ihm verhandelt bislang.

Die Frage ist also, welchen Stellenwert die Klinikleitung der Station B 4 zumißt, und da ist Chefarzt Jost Herbig bislang der einzige, der deutlich gemacht hat: „Warum sollen wir ein so wichtiges Projekt mit soviel Nachfrage aufgeben? Wir brauchen es.“ Auch die Bremer Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe hat sich gestern für den Erhalt der Frauenstation ausgesprochen. sip

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen