„Die haben null politisches Anliegen“

■ Interview mit dem CDU-Innenpolitiker Ralf Borttscheller zur Silvester-Randale

taz: Sie haben nach der Silvesternacht gefordert, die Urheber des Krawalls an der Sielwallkreuzung gesellschaftlich zu ächten. Was und wen meinen Sie damit?

Ralf Borttscheller: Ich meine die Autonomen, die seit zehn Jahren in festem Ritual auftreten und denen ich unterstellen muß, daß sie null politisches Anliegen haben. Denen geht es schlicht um Randale.

Und was bedeutet dann Ächten?

Bewußt ausgrenzen. Das bedeutet für mich auch, daß man notfalls mal auf eine Feier verzichtet, um diesen Leuten den nicht äußeren Rahmen zu bieten in dessen Schutz sie dann wieder Scheiben zerschlagen.

Ächten bedeutet, selber nicht mehr zu feiern?

Nein, das soll bedeuten, daß man, um Gewalt zu verhindern notfalls sich selbst einschränkt. Ich bin überzeugt, daß Silvester auf der Sielwallkreuzung wie ein stinknormaler Tag verlaufen würde, wenn man hier nicht eine Veranstaltung inszenieren würde. Ich bin überzeugt, daß die Autonomen mit ihren 50 bis 200 Leuten dann Muffensausen hätten, von der Polizei einkassiert zu werden.

Wen meinen Sie mit den Autonomen?

Die Leute, die auch in der Silvesternacht meinen, ihr Gesicht nicht offen zeigen zu können, sondern sich vermummen, um gewalttätig zu werden. Die haben wir auch am 3. Oktober gesehen. Gerade die Leute, die sich gegen Staat und Militär stellen, treten in dieser Gesellschaft ja am einheitlichsten in Uniform scharz vermummt auf.

Wissen Sie wer unter der Vermummung steckt?

Das wissen Sie im Einzelfall nicht. Aber wer sich zusammenrottet, um Straftaten zu begehen, macht sich inzwischen schon mit der Vermummung strafbar.

Hätte die Polizei Silvester alle Vermummten festnehmen sollen?

Nein, die Polizei tut das natürlich nicht, und das ist auch richtig. Denn dadurch würden ja Dritte gefährdet. Die Autonomen suchen ja immer feige den Schutz der anderen, um aus der Masse heraus Straftaten zu begehen.

Haben Sie trotzdem Kritik an der Polizei nach der Silvesternacht?

Mich ärgert es, wenn als Bilanz einer solchen in Gewalttätigkeit endenden Nacht nur acht Leute gefaßt worden sind, die man also maximal anklagen kann. Unter Einsatz von MEK oder SEK, ziviler Beamter hier auch mehr hätte erwischen können.

Würde es dem Viertel nützen, wenn mehr Leute verhaftet würden?

Dem Rechtsstaat würde es mehr nützen. Ich meine, daß das Viertel hier kein Eigenleben entwickeln kann, wo eine andere Rechtsordnung gilt als im Rest der Stadt.

Fragen: Dirk Asendorpf