■ Standbild: Bin det icke? / "Sonnenstich"
„Sonnenstich“, Dienstag, 20.15 Uhr, ZDF
Gehen wir davon aus, daß der Berliner Busfahrer Peter B. gerne fernsieht. Gehen wir weiter davon aus, daß er sich – nach den langen Jahren der eindimensionalen Rezeption – selbst gerne einmal auf dem Bildschirm sehen würde. Welche Möglichkeiten hat ein Berliner Busfahrer, ins Fernsehen zu kommen?
Er könnte sich an einem Bummelstreik der Berliner Verkehrsbetriebe beteiligen und darauf hoffen, von einem Lokalreporter interviewt zu werden. Er könnte sich unter das Publikum einer Spielshow mischen und im entscheidenden Moment in die Kamera winken. Er könnte sich mit seiner Handycam dabei filmen, wie er beim Bötchenfahren ins Wasser fällt, und das Video dann an „Pleiten, Pech und Pannen“ schicken. Schließlich könnte seine Frau sich an Mike Krüger wenden. Der würde den Berliner Busfahrer Peter B. dann ganz groß rausbringen: Bei einem Urlaub anläßlich ihrer silbernen Hochzeit würde das „Sonnenstich“-Team den ahnungslosen Peter gehörig verarschen, würde ihn unter einem fadenscheinigen Vorwand in ein kleines Dorf am Rande der Touristenmeile locken und ihn mit viel Aufwand glauben machen, die Dorfbewohner hielten Peter für den seit langem verschollenen Bürgermeister. Und da säße Peter dann etwas ratlos an seinem Büro-Schreibtisch, schaute irritiert auf das Familienfoto, in dessen Mitte sein Gesicht scheinbar eindeutig in die dominikanische Sonne lächelt. Da müßte Peter dann wohl seine Lesebrille herauskramen, an der peinlicherweise ein Bügel fehlt, weswegen das Gestell ungelenk schief auf seiner schwitzenden Nase liegt, müßte also noch einmal genau hinschauen, schließlich seine Frau fragen: „Bin ick det?“ Mit mannhafter Kraft würde sich Peter dann radebrechend an sein „Volk“ wenden – „Versteht hier jemand Deutsch, alemán, German?“ – und am Ende, als sich die versteckte Kamera endlich aus dem Gebüsch quält, befinden, daß er da ja nochmal „Schwein gehabt“ habe.
Aber hat er wirklich? Will der Berliner Busfahrer Peter B. tatsächlich so ins Fernsehen: Als schlecht bebrillter, des Spanischen nicht mächtiger Dummbeutel? Als williges Objekt unserer Fernsehunterhaltung, unseres Voyeurismus, eingebettet in eine seltsam quälende Inszenierung? Offenbar schon. Warum sonst hätte er die Sendeeinwilligung gegeben für Mike Krügers neue Show? Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen