: Ohne Öffentlichkeit
■ Südafrika arbeitet Geschichte auf
Johannesburg (taz) – Südafrikas Regierung unter Staatspräsident Nelson Mandela will in diesem Jahr eine „Wahrheitskommission“ gründen, die sich mit politischen Verbrechen zu Apartheid- Zeiten beschäftigen soll. Aber die Kommission wird laut dem ausgehandelten Kompromiß zwischen Mandelas ANC und der „Nationalen Partei“ unter Vizepräsident Frederik W. De Klerk unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagen. Nicht einmal die Opfer und deren Angehörige sollen über die Ergebnisse informiert werden.
Ein hochrangiger ANC-Parlamentarier erklärte: „Nur das Parlament kann dieses Vorhaben in der Form noch stoppen.“ Justizminister Dullah Omar hatte die Gründung einer Wahrheitskommission nach seiner Amtsübernahme vorangetrieben, obwohl selbst Mandela Vorbehalte äußerte. Aber Menschenrechtsgruppierungen und Kirchengruppen beharrten auf der Forderung nach Untersuchungen der Vergehen in der Vergangenheit.
In Kreisen der Sicherheitskräfte und ehemaliger Offiziere der Apartheid-Zeit wird befürchtet, daß sie als Befehlsempfänger zum Sündenbock gestempelt werden, während die Befehle austeilenden Politiker ungeschoren davonkommen. Constand Viljoen, einst Generalstabschef der südafrikanischen Streitkräfte und jetzt Führer der rechten „Freiheitsfront“, befürwortete deshalb eine Redeschlacht im Parlament, bei der die schmutzige Wäsche der vergangenen Jahrzehnte ein einziges Mal gründlich, aber nicht wiederholbar durch die Mangel gedreht werden soll. Vizepräsident Frederik W. De Klerk, bis April 1994 noch Staatspräsident, argumentierte, daß die Arbeit der Wahrheitskommission von Weißen als „Hexenjagd“ aufgefaßt werden und den Umtrieben der Rechtsradikalen, die seit den Wahlen nahezu in der Versenkung verschwunden sind, wieder Auftrieb geben könnte.
Von 1990 bis 1994 starben rund 15.000 Menschen in Südafrika an den Folgen politischer Gewalt – oft galten Teile der Sicherheitskräfte als Drahtzieher. Die Wahrheitskommission soll nicht nur diese untersuchen, sondern auch weit zurückliegende Vorfälle aus Apartheid-Zeiten. Willi Germund
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