: „Unabhängigkeit ist relativ“
■ Tschetscheniens Präsident Dudajew zum Einlenken bereit / Duma faßt keine Beschlüsse
Grosny (AFP/taz) – Der tschetschenische Präsident Dschochar Dudajew ist offenbar bereit, über den Status seiner Republik in der Russischen Föderation zu verhandeln. Dudajew trat gestern zum erstenmal seit Anfang Januar in der Öffentlichkeit auf und räumte indirekt die Aussichtslosigkeit des militärischen Widerstandes gegen die russischen Truppen ein. Bei einer Pressekonferenz in einem Erholungsheim fünf Kilometer vom Stadtzentrum Grosnys entfernt sagte er: „Die tschetschenische Unabhängigkeitserklärung ist relativ. Rußland hat Interessen im Kaukasus, aber es kann unser Lebensrecht nicht ignorieren. Selbstverständlich kann man einer Macht wie Rußland nicht physisch Widerstand leisten.“ In Grosny flauten die Kämpfe unterdessen ab. Der russische General Iwan Babitschow und der Oberkommandierende der Tschetschenen, Aslan Moschadow, trafen sich, um über Bedingungen für einen Waffenstillstand zu sprechen. In der Nähe Grosnys wurde am Dienstag abend der 30jährige Moskau-Korrespondent des Stern, Jochen Piest, von Schüssen eines tschetschenischen Soldaten tödlich getroffen.
Auf einer Sondersitzung der Staatsduma in Moskau lehnten es die Parlamentarier ab, sich mit mehreren Anträgen der Reformkräfte zu Änderungen in der russischen Verfassung zu befassen. So hatte die Partei von Ex-Premier Jegor Gaidar beantragt, die Armee innerhalb Rußlands nur noch dann einzusetzen, wenn zuvor der Ausnahmezustand verhängt worden ist. Die Abgeordneten beschlossen statt dessen, nur über den Krieg zu „debattieren“. Nach Angaben des Parlamentariers Aiwars Lesdynsch wurden seit Beginn der Militärintervention wesentlich mehr russische Soldaten getötet als bisher offiziell von der Regierung angegeben. Lesdynsch sprach von 1.500 Toten, die offizielle Zahl liegt dagegen bei 250. Seiten 8 und 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen