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Ehemaliger VDA-Boß tot gefunden

■ Gegen den Geschäftsführer des deutschtümelnden Vereins hatte die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt

Nürnberg (taz) – In der Nacht zum Donnerstag ist in Bonn die Leiche des ehemaligen Geschäftsführers des „Vereins für das Deutschtum im Ausland“ (VDA), Karsten Schlamelcher, gefunden worden. Nach Auskunft der Kriminalpolizei in Siegburg lag der 44jährige bereits mehrere Tage tot in seiner Wohnung in Bonn Sankt Augustin. Für ein Fremdverschulden habe man „derzeit keine Anhaltspunkte“, aber der Obduktionsbefund liege noch nicht vor.

Gegen Schlamelcher und andere Mitglieder der Führungscrew des deutschtümelnden Vereins VDA ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Untreue und Betrug. Es geht dabei um Millionenbeträge, die der VDA vom Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt bekommen hat, um „Soforthilfe“ für Deutschstämmige in Osteuropa zu leisten.

Seit Anfang 1993 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Verein, der das „Deutschtum in aller Herren Länder pflegen“ will, für die „nationale Identität“ kämpft und gegen den „Kulturliberalismus“ zu Felde zieht. Allein 1990 und 1991 flossen 110 Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt auf VDA-Konten.

Um den Zuzug von Aussiedlern zu begrenzen, wollte die Bundesregierung Projekte für sogenannte Auslandsdeutsche in Osteuropa großzügig unterstützen. Zur Verteilung bediente man sich des VDA, in dessen Verwaltungsrat auch der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Horst Waffenschmidt, saß. Nachdem der Bundesrechnungshof mehrfach erhebliche finanzielle Unregelmäßigkeit moniert hatte, trat die Bonner Staatsanwaltschaft in Aktion. Verschiedene VDA-Funktionäre gerieten wegen ihrer Kontakte bis weit ins rechtsextreme Lager in die Kritik.

Auch gegen Schlamelcher, bis Ende 1993 amtierender VDA- Bundesgeschäftsführer, richteten sich die Ermittlungen. Der ehemalige Polizeihauptkommissar und Grundsatzreferent des „Weißen Ringes“, saß im Vorstand der Moskauer Firma Interform, die bei den vom VDA in die GUS-Länder vergebenen Mitteln immer wieder bevorzugt zum Zug gekommen war. Als „Mann mit dem Koffer“ soll Schlamelcher die Finanztransfers persönlich durchgeführt haben. Nach Recherchen des Journalisten Hans-Rüdiger Minow, Autor des Buches „Deutschtum erwache!“, über den VDA, sollen Gelder des Innenministeriums dabei für illegale Territorialkäufe in Kaliningrad (Königsberg) und an der Wolga zweckentfremdet worden sein.

Stiftungsgelder flossen auch rechten Gruppen zu

Schlamelcher koordinierte seine Auslandsaktivitäten mit der wegen rechtsextremer Umtriebe in Verruf geratenen Düsseldorfer „Hermann-Niermann-Stiftung“. Dort hatte der österreichische Neofaschist Norbert Burger lange Zeit das Sagen. Stiftungsgelder sollen nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Bozen und nach Erkenntnissen eines Untersuchungsausschusses in den ostbelgischen Kantonen Eupen und St. Vith nationalistischen und möglicherweise auch rechtsterroristischen Gruppierungen zugeflossen sein. Bernd Siegler

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