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Schlechtgelaunte Männer

Katalanen und Basken betonen ihre kulturelle Autonomie  ■ Aus Madrid Antje Bauer

„Todo por la Patria“, alles für das Vaterland, steht noch heute an den Kasernen der spanischen Guardia Civil geschrieben. Unter Franco waren über Ausdehnung und Identität dieser Vaterlands, das die Guardia Civil mit allen Mitteln schützte, keine Zweifel erlaubt. Vom Golf von Biskaya bis nach Ceuta und Melilla auf dem arabischen „Kontinent“ herrschten die Gewinner der „2. Reconquista“. Bewohnt war dieses Land, dem herrschenden Duktus zufolge, von einer kriegerischen, asketischen und katholischen Schar von mühsam bezwungener Leidenschaft.

Der geographische Sitz dieser nationalen Werte war Kastilien mit seiner Schlichtheit und seiner Härte, nur in Sachen Leidenschaft mußten bei den Andalusiern Anleihen gemacht werden, aber diese angebliche Eigenschaft des Nationalcharakters war ohnehin mehr ein Augenzwinkern in Richtung Touristen.

Die übrigen Landstriche Spaniens durften zwar Unteridentitäten haben, doch blieben diese auf rein folkloristischer Ebene und wurden nicht in den Rang des Identitätsstiftenden erhoben. Wehe dem, der sich diesem Nudelholz entziehen und eine andere Identität haben wollte: Die katalanische Eigenbrötelei, die sich in beharrlichem Gebrauch des Katalanischen äußerte, wurde durch harte Repression geahndet. Ähnlich ging es den Basken, auch wenn bei ihnen der Unterschied zu „den Spaniern“ weniger durch die Sprache denn durch ihre Bräuche deutlich gemacht wurde.

Seit dem Tod des Caudillo sind nun mehr als 15 Jahre vergangen, doch die alten Identitätslinien haben sich weitgehend erhalten. Spanien ist noch immer kein Bundesstaat, sondern ein „Staat der Autonomien“. Die Autonomierechte sind je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt und müssen jeweils der Zentralregierung abgetrotzt werden. Wie immer haben Katalanen und Basken die Nase vorn in Sachen Eigenbestimmung, es folgen weitere „historische Autonomien“ wie Galicien und Andalusien – der Rest ist einfach „Spanien“.

Katalanen und Basken werden nur selten freiwillig sagen, sie seien Spanier. Sie sprechen vom „spanischen Staat“, um die geistige Absetzung gegen Madrid zum Ausdruck zu bringen. In beiden Autonomien gibt es sowohl eine rechte als auch eine linke nationalistische Partei. In beiden regiert im Landesparlament die rechte und wird von der linken radikalisiert. Sowohl rechte als auch linke nationalistische Parteien beziehen ihre politische Identität aus einer Definition des „Andersseins“ als die übrigen Spanier, in die sich gern ein Quentchen Rassismus mischt.

So setzte bereits Sabino Arana, der Gründer der konservativen baskischen PNV, die arbeitsamen, tüchtigen Basken in Gegensatz zu den dunkelhäutigen, arabischblütigen Andalusiern, die lieber in der Sonne lägen anstatt die Hände zu regen.

Der Beitritt zur Europäischen Union hat diese Kräfte bestärkt. Man hofft seither auf eine zunehmende Abkoppelung von Madrid zugunsten einer stärkeren Interessenvertretung in Brüssel. Auch der Zerfall von Jugoslawien und der UdSSR hat nichts in dieser Richtung verändert – bei Wahlen legen alle nationalistischen Parteien in beiden Regionen weiterhin zu.

In den anderen spanischen „Autonomien“ ist diese Neigung zur Verselbständigung indes nicht zu beobachten. In Galicien etwa, dem nordwestlichen Zipfel Spaniens, mag es mehr Übereinstimmungen mit Portugal geben als mit Kastilien, die aber allenfalls zu freundlichem Grenzverkehr, nicht zum Wunsch, die Grenzen zu verschieben, führen. Das wirtschaftlich wenig erfolgreiche Galicien erwartet von Madrid Entwicklungshilfe und orientiert sich nach dort. Der linksnationalistische Bloque Gallego führt dementsprechend ein Randdasein mit Sektencharakter.

Während sich in Galicien immerhin eine Förderung der eigenen Traditionen und eine Aufwertung der Sprache entwickelt haben, sind in anderen Regionen wie etwa der Extremadura oder Murcia zwar örtliche Bräuche erhalten geblieben – doch eine nationale Identität bilden sie nicht. In diesen armen, zurückgebliebenen Regionen wird denn auch der Alleingang vor allem der reichen Katalanen als Mangel an Solidarität empfunden – ein Bedürfnis, dies nachzuahmen, gibt es schon aus wohlverstandenem finanziellem Eigeninteresse nicht.

Es mag daran liegen, daß ein Großteil der spanischen Bevölkerung noch auf dem Dorf lebt, daß sich lokale Gebräuche dort stärker erhalten haben als in dem meisten anderen Ländern Europas und daß sich die Bewohner der Regionen dort mehr voneinander unterscheiden als etwa hier. Dennoch fangen die meisten Spanier an zu sprudeln, sowie sie nach „der spanischen Identität“ befragt werden.

Die Selbsteinschätzung weicht allerdings erheblich von der Charakterisierung zu Zeiten des Caudillo ab. Die Spanier seien ein Volk von dunkelhäutigen, kleingewachsenen und schlechtgelaunten Männern, heißt es häufig (für die Frauen gibt es eine so schnellentschlossene Schilderung nicht), die gerne über ihre Verhältnisse lebten, gern feierten und am liebsten so wenig arbeiteten wie möglich. Man liebe das Leben und habe ein neurotisches Verhältnis zum Tod. Man tue alles für die eigene Familie und sei anderen gegenüber extrem mißgünstig. Asketische kriegerische Recken? Armer Caudillo.

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