: Werbung gegen Werbung
Frustrierte Benetton-Händler fordern schriftliche Verträge / Umsätze des Mailänder Konzerns sind extrem zurückgegangen ■ Aus Mainz Franco Foraci
Rund 50 frustrierte Benetton-Händler haben dem Mailänder Mutterkonzern den Kampf angesagt. Am Sonntag trafen sie sich im Mainzer Dorint-Hotel, um zu beraten, wie sie die Geschäftspraktiken der italienischen Klamottenfirma öffentlich anprangern können. Hauptschuld an ihrem geschäftlichen Mißerfolg trägt die umstrittene Plakatwerbung mit gewagten Fotos über Krieg, Tod und Gewalt, machen die Mitglieder der Anfang vergangenen Jahres ins Leben gerufenen „Interessengemeinschaft der Benetton-Geschädigten Deutschland“ (IGB) glauben.
Daß die seit 1990 von dem Fotografen Oliviero Toscani verantwortete provokative Werbekampagne allein die Umsatzeinbußen bis zu fünf Prozent beschert haben soll, fällt schwer zu glauben. Denn als sie begann, stiegen die Verkaufswerte um jährlich fast 20 Prozent, fährt Markus Kapp, Einzelhändler und Unternehmensberater aus Königstein, seinen Kollegen in die Parade – und wird dafür als Gesandter des Konzerns beschuldigt. Die versammelten Benetton-Händler aus Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland jedenfalls fordern jetzt „produktbezogenere“ Werbung. Vor allem aber wollen sie endlich schriftliche Verträge.
Solange die Kasse gestimmt hatte, ließen sie die geballte Faust in der Tasche stecken und schwiegen. Franchising lautet die Geschäftsverbindung zwischen Benetton und seinen Händlern, übersetzt: Nimm ausschließlich unsere Ware, und du kannst unseren Namen nutzen. Es war solange gut, solange es gutging. Aber die Umsätze sackten in den letzten zwei Jahren vor allem in Deutschland dramatisch ab. Waren in ganz Deutschland 650 Benetton-Läden zu Beginn des Jahres 1994 registriert, gibt es heuer schon weniger als 500. Benetton erwirtschaftet in der Bundesrepublik trotzdem noch etwa 20 Prozent seiner weltweiten Einnahmen. Das entspricht etwa einer dreiviertel Milliarde Mark jährlich.
Bei den mündlichen Vereinbarungen, so das Kasseler Gründungsmitglied der IGB, Heinz Hartwig, könne es in den Geschäftsbeziehungen künftig nicht bleiben. Viel zu oft seien Benetton-Händler vom italienischen Lieferanten aufs Kreuz gelegt worden. Lieferzusagen würden meist nicht eingehalten, Gebietsschutz konsequent mißachtet. Hartwig beschuldigt die Mailänder des unlauteren Geschäftsgebarens. „Es gibt eine eindeutige Rechtssprechung, die besagt, daß man einen Händler-Kunden nicht derart knebeln kann, wie es Benetton getan hat.“ Wer nicht spurt, bekommt gleich in der Nachbarschaft von derselben Firma einen Konkurrenten plaziert. Ware, die mangelhaft angeliefert wird, könne nicht zurückgeschickt werden. „Benetton hält die Filialen wie Marionetten an so kurzen Leinen, wie man es nicht einmal im Mittelalter mit Leibeigenen betrieben hat“, sagt Hartwig.
Ungewöhnlich ist dieses Verhalten bei Franchise-Unternehmen im Grunde nicht. Weswegen dann die Aufregung? Weil die Franchise-Nutzer bisher nur die positiven Bilanzen verbuchen konnten und sich keine Gedanken über mögliche Risiken ihrer Geschäftsbeziehungen mit Benetton Italia machen mußten – meint der italienische Counterpart.
Fakt ist, daß andere Markenfirmen Benetton den Rang abgelaufen haben. Bei Jugendlichen sind die bunten Kleidungsstücke einfach out. Carlo M. aus Frankfurt mußte seinen Laden an der Hauptwache dichtmachen, „weil immer weniger junge Leute zu uns reinkamen. Für die älteren waren die Konfektionen entweder zu unbequem geschnitten oder farblich zu sehr auf Jugend getrimmt.“ Der 33jährige ist pleite nach dreieinhalb Jahren. Er schuldet Benetton noch über 400.000 Mark, weil er verpflichtet war, halbjährlich ein Mindestkontingent abzunehmen. Die Menge berechnete sich nach einem angenommenen Durchschnittsumsatz und der Ladengröße. „Woher ich das Geld nehmen soll, weiß ich nicht. Aber ich wußte ja, auf was ich mich beim Franchising einlasse.“
Solches und ähnliches Leid klagten einander die 50 angereisten Ladenbesitzer. Der Medienrummel um die Spaltung der losen Benetton-Familie kam einigen von ihnen, darunter Heinz Hartwig, gerade recht. Heute ist ein Prozeßtermin angesetzt, weil er die Zahlung von 750.000 Mark für die Winterkollektion, die er kaum losgeworden ist, verweigert hat. Seine Anwaltskanzlei Engels hatte die Pressearbeit für die Interessengemeinschaft der Benetton-Geschädigten übernommen. Welch ein Zufall.
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