: Sauberes Singapur
■ Urteil gegen „International Herald Tribune“ wegen Verleumdung der Justiz
Singapur (dpa/taz) – Ein Kolumnist und ein Redaktionsmitglied der International Herald Tribune sind gestern in Singapur wegen Verleumdung der Justiz verurteilt worden. Begründung des Gerichtes: Es sei offensichtlich, daß der US-amerikanische Kolumnist Christopher Lingle in seinem am 7. Oktober 94 in der IHT erschienenen Artikel Singapur gemeint hatte, als er von „intoleranten Regimen“ schrieb, die sich auf eine „willfährige Justiz“ stützten, „um Oppositionspolitiker in den finanziellen Ruin zu treiben“. In dem Artikel war der Name des Landes nicht genannt worden.
Der Autor, der zur Zeit der Veröffentlichung an der Universität von Singapur unterrichtete, hat das Land verlassen und wurde nun in Abwesenheit zu 10.000 Mark Strafe verurteilt, sein Redakteur Michael Richardsen zu 5.000. Richardson hatte in seiner Verteidigung erklärt, er habe beim Lesen des Wortes „Regime“ an China gedacht und nicht etwa an Singapur. „Mir war nicht bewußt, sagte er, „daß Oppositionspolitiker in Singapur in den Ruin getrieben worden sind als Ergebnis von gerichtlichen Schritten, die die Regierung oder einer ihrer Minister angestrengt haben.“ Generalstaatsanwalt Chan Sek Keong bezeichnete dies als Ausrede und erklärte, die Bemerkungen Lingles könnten beim Lesen so verstanden werden, daß sie nicht nur auf kommunistische und Militärregime wie China, Birma oder Nordkorea zielten, sondern auch auf Singapur paßten.
Die Behörden des autoritär regierten Staates haben in den letzten Jahren auch den Vertrieb renommierter Publikationen wie des Economist, der Time, Far Eastern Economic Review wegen unliebsamer Berichterstattung in Singapur beschränkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen