: Hochhuth kommt vor dem Fall
Alteigentümer wollen das Autorentheater im Konrad-Wolf-Saal zum Trauerspiel werden lassen / Pächter Hochhuth ohne Finanzkonzept ■ Von Tomas Niederberghaus
Gehen wir einmal davon aus, daß alles wie am Schnürchen läuft. Rolf Hochhuth ist stolzer Pächter des Konrad-Wolf-Saals in der Akademie der Künste. Die Lottogesellschaft hat die blaubestuhlte Spielstätte mit 150.000 Mark aufgemöbelt. Esther Vilar läßt zur Premiere ihren „Baracuja lächeln“. Und dann geht Hamburgs Tourneetheaterbesitzer Manfred Greve mit dem Stück auf Reisen. Später, wenn Herr Hochhuth froh und Herr Greve glücklich ist und wenn der Rubel richtig rollt, wird Martin Walsers „Herr Krott“ die Parabel des Kapitalismus „überlebensgroß“ vorstellen. Ja, das kulturelle Leben war schon immer reich an Absonderlichkeiten. Herr Hochhuth hätte wirklich keinen Grund mehr zum Schmollen. Vorbei wäre die Schloßpark-Paranoia, die Zeiten, in denen ein Nebenbuhler wie Heribert Sasse ihm Kummer und Sorgen bereitet.
So rosig sieht der Berliner Kultursenat die Hochhuthsche Zukunft im Konrad-Wolf-Saal nicht mehr. „Ich bin skeptisch geworden“, sagt Grundstücksreferatsleiter Karl-Heinz zur Weihen, „die Finanzierung des Theaterbetriebes steht nicht. Jedenfalls hatte Herr Hochhuth ein halbes Jahr Zeit, uns liegt aber noch immer nichts vor.“ Sollte der Dramatiker nicht bald in die Puschen kommen, ziehe der Senat andere, „vor allen Dingen wirtschaftlich tragbare Angebote“ aus der Hinterhand. Ziel sei es jedenfalls, daß die Vermietung des Konrad-Wolf-Saals und weiterer Räume dem Senat jährlich insgesamt 500.000 Mark einspielen. Das entspräche den Betriebskosten. Außerdem seien die Alteigentümerfragen noch nicht geklärt – der Senat verwaltet das Gebäude derweil kommissarisch.
„Wir kämpfen bis aufs Messer“, sagt Wilhelm Hartel, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, die neben der Berliner Medizinischen Gesellschaft zu den Alteigentümern zählt. Die beiden Ärzteclubs haben das Langenbeck-Virchow-Haus im Jahre 1914 gebaut, mit Unterstützung der kaiserlichen Hoheit, den Zweck der Wissenschaft zu pflegen. 1945 wurde es von den Russen übernommen, später an die DDR-Regierung übergeben. Der Knackpunkt liegt darin, daß das Haus laut einer irgendwann erfolgten Grundbucheintragung ins Eigentum des Volkes überging. Doch damit geben sich die Alteigentümer nicht zufrieden. „Vermögenswerte, die ohne Entschädigung enteignet wurden, sind zurückzugeben“, sagt das Gesetz. Anwalt Jürgen Forkel, der die Mediziner vertritt, erklärt, daß die Treuhand eine Rückgabe zunächst abgelehnt hatte. Forkel sagt, in der Begründung habe es wie folgt geheißen: „Eine Rückgabe kommt dann nicht in Betracht, wenn die Enteignung nach einer DDR-Vorschrift erfolgt ist, die eine Entschädigung vorsah, und zwar unabhängig davon, ob diese Entschädigung tatsächlich gezahlt wurde.“ Forkels Widerspruch umfaßt 25 Seiten. „Die Argumentation der Treuhand“, sagt er gegenüber der taz, „zeigt wesentliche Lücken.“ Eine Enteignung sei an bestimmte Voraussetzungen gekoppelt gewesen. Beispielsweise an die Zustimmung des damaligen Oberbürgermeisters, und die sei nie erfolgt.
Für drei Jahre möchte der Kultursenat den Konrad-Wolf-Saal verpachten. Zunächst zumindest. Doch schon innerhalb der nächsten 12 Monate soll die Eigentumsfrage geklärt sein. Bekommen die Ärzte ihr Gebäude zurück, möchten sie prompt von München in die alte Heimat Berlin zurückziehen. Zur zügigen Klärung des Sachverhalts haben sie nun um eine Audienz bei Bürgermeister Eberhard Diepgen gebeten. Im Falle einer Rückübertragung wollen die Mediziner alle Kosten für den laufenden Unterhalt des Gebäudes umgehend übernehmen.
Eine solche Eigentumsklärung könnte Herrn Hochhuth erneut in Wallung bringen, seinen möglichen Theaterbetrieb zum Trauerspiel werden lassen. Ohnehin gebärdet er sich am Telefon schon wie eine eingeschnappte Diva. „Schreiben Sie mir“, sagt er mit größtmöglicher Arroganz, „und Sie bekommen eine Antwort.“ Nur solch präzise Angaben möchte er dann doch herauslassen: Jeder lebende Autor komme für sein Theater in Frage, die Finanzierung des laufenden Betriebes sei „noch nicht klar“, das Ganze koste ja „enorm viel Geld“. Der Kultursenat ist sich indes darüber im klaren, daß Hochhuth „weder mit Bürgschaften noch mit Privateigentum“ das Projekt finanzieren kann. Dies jedenfalls sagt Richard Dahlheim vom Theaterreferat.
Nicht zuletzt ist zu fragen, ob der Konrad-Wolf-Konferenz-Saal für 150.000 Mark zu einem bespielbaren Theater umgerüstet werden kann. Die Bühne ist schmal wie ein Parkstreifen, es fehlen Auf- und Abgänge, der Gesamtzustand ist grau und marode. Hochhuth jedenfalls will nur eines: jede Menge Theater, noch bevor der Eigentums-Fall geklärt ist.
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