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Mitleid ist angesagt

■ betr.: „Selbstbespiegelung“, taz vom 14. 1. 95

In einer Zeit, in der Beamte von vorauseilendem Gehorsam getrieben werden, in der Arbeitnehmer sich um die Profite ihrer Chefs sorgen und unsere Kinder orientierungslos versuchen, die Zeit mit allen Mitteln zu verkürzen, ist es nicht einfach für ein marktwirtschaftliches Unternehmen, das von Sensationsnachrichten lebt.

Die Nachrichten sind immer so gut wie ihre Quellen. Das heißt, mehr Arbeitslose und sozialer Druck, desto weniger Courage, also keine Quellen. Mit ein bißchen Glück, dem richtigen Parteibuch (rot, gelb, grün, schwarz) und viel Gehorsam, kann man/frau heute noch ein Pöstchen und somit Lebensstandard bekommen. Mit Courage und einer eigenen Meinung steht man/frau einem Heer von Anwälten und einem Lebensstandard im Sozialhilfemilieu gegenüber.

Früher, als die politischen Parteien sich noch unterschieden hatten, fielen hier und da noch einige brauchbare Nachrichten für den Spiegel ab. Heute, da sie sich im Detail gleichen und man sie mit Unternehmen verwechseln könnte, schotten sie sich alle ab. Mitleid ist angesagt. Wir sollten mit dem Spiegel leiden.

Er hat es wahrlich schwer. Er darf seine Anzeigenkunden nicht verlieren, den Leser nicht erschrecken, und Augstein möchte von allen geliebt werden. Die Zukunft ist auch nicht rosig. Wenn erst einmal wieder alle Deutschen beamtet sind, will nicht nur keiner mehr etwas sagen, sondern auch keiner mehr etwas wissen wollen. Die Meinung der Masse wird meine sein, was interessiert mich der Einzelne. Es lebe die Demokratie!?! Es lebe der Spiegel, die Zeit, die Bild, RTL, Sat.1, ZDF, ARD und Donald Duck! Dieter Staas-Holtkamp, Willich

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