: „Spitzel“ als Werturteil
■ PDS-Vorständler Gregor Gysi unterliegt vor Gericht gegen Bürgerrechtlerin Freya Klier
Berlin (taz) – Die Bürgerrechtlerin Freya Klier hat sich gestern vor Gericht gegen den PDS-Politiker Gregor Gysi durchgesetzt. Nach einer Entscheidung der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin darf Klier weiterhin behaupten, Gysi habe „Bürgerrechtler bespitzelt, damit seine Genossen sie besser im Griff haben“. Diese Auffassung hatte die Autorin und Filmemacherin am 4. Oktober in einem taz-Interview vertreten. Als Jurist sei Gysi in einer hohen Position gewesen, er habe „Bürgerrechtler nicht verteidigt, sondern bespitzelt“. Der Chef der PDS-Bundestagsgruppe hatte daraufhin eine Gegendarstellung am 6. Oktober erzwungen und eine förmliche Unterlassungserklärung verlangt. Nachdem Gysi rechtliche Schritte angekündigt hatte, hatte Klier beim Berliner Landgericht auf dem Wege einer „positiven Feststellungsklage“ beantragt festzuschreiben, daß sie zu einer solchen Behauptung berechtigt ist. Zur Begründung führte die Zivilkammer an, es handele sich bei der Aussage um ein „zulässiges Werturteil“, nicht um eine Schmähkritik. Die von Gysi beanstandete Passage müsse zudem als persönliche Schlußfolgerung gewertet werden, nicht als Tatsachenbehauptung. Klier hatte erklärt, sie stütze sich auf „genügend Dokumente“ der Stasi, die von den Bürgerrechtlerinnen Bärbel Bohley und Katja Havemann vorgelegt worden waren. Gysi will nun gegen das Urteil Berufung einlegen.
Das Landgericht hebt sich mit seiner Entscheidung deutlich von der Hamburger Justiz ab, bei der andere Äußerungen von BürgerrechtlerInnen über Gysis mögliche Stasi-Verstrickungen verhandelt wurden. Das Oberlandesgericht der Hansestadt untersagte etwa Bärbel Bohley, Gysi einen „Stasi-Spitzel“ zu nennen. Bohley nach der gestrigen Verhandlung in Berlin: „Gegenüber den Hamburger Richtern haben die hier einen weltstädtischen Blick: Sie halten Sachen für möglich, die möglich waren.“ Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen