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Querelen bei den weißblauen Grünen

■ Fraktionsmitarbeiter nach Kritik entlassen – Klagen beim Arbeitsgericht

Nürnberg (taz) – Bei Bündnis 90/Die Grünen in Bayern gärt es. Konflikte zwischen der Spitze und Mitarbeitern der Landtagsfraktion sind eskaliert. Die Nichtweiterbeschäftigung eines langjährigen Mitarbeiters nach dessen kritischen Äußerungen über Fraktionsarbeit und -struktur wird heute die Landesversammlung der Partei in Germering beschäftigen. Zwölf von achtzehn Fraktionsmitarbeitern klagen zudem gegen die eigene Fraktion vor dem Münchner Arbeitsgericht. Sie wollen unbefristete Arbeitsverträge. Diese werden von den meisten grünen Landtagsfraktionen bereits gewährt.

Für eine Partei, die sich stets für mehr Demokratie und die Erweiterung der Rechte der Arbeitnehmer eingesetzt hat, seien diese Streitigkeiten, so Landesvorsitzende Barbara Hoffmann, „von der politischen Kosmetik her eine ganz schlechte Sache“.

Die Vorgeschichte: Das schlechte Abschneiden bei den Landtagswahlen im Oktober – die Grünen waren mit 6,1 Prozent knapp ins Maximilianeum eingezogen – hatte Partei- und Fraktionsspitze zur Ursachenforschung blasen lassen. Eine „offene, ungeschützte Diskussion“ sollte es laut Parteirundbrief werden. Der 42jährige langjährige Fraktionsmitarbeiter und Sprecher des Landesarbeitskreises Wirtschaft, der Augsburger Eberhard Petri, nahm diese Vorgaben ernst. Petri kritisierte unter anderem die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Fraktion und Landesvorstand, die Überlastung der Abgeordneten durch kommunale Mandate sowie das schlechte Betriebsklima zwischen Fraktion und Belegschaft.

Für den Fraktionsvorsitzenden Manfred Fleischer hat Petri mit der Art seiner Kritik Interna nach außen getragen sowie „Unwahrheiten verbreitet“. Dies werfe die „Frage nach seiner Loyalität“ auf. Mit acht gegen sechs Stimmen beschloß die Fraktion den Arbeitsvertrag mit Petri nicht zu verlängern. Sehr zum Ärger des Landtagsabgeordneten Christian Magerl. „So kann man ein grünes Urgestein nicht abservieren“, empört er sich. „Es muß doch möglich sein, daß Mitarbeiter sich auch sehr kritisch mit Fraktionsvorstand und -mehrheit auseinandersetzen können, ohne daß ihnen die Kündigung droht“, schließt sich ihm die Abgeordnete Elisabeth Köhler an. Nun soll sich die Landesversammlung mit dem Versuch, ein „kritisches Parteimitglied mundtot zu machen“ (Initiativantrag) befassen. Die Versammlung solle gegen diese „schlimme Entgleisung“ der Fraktionsmehrheit „entschieden protestieren“ und die Fraktion auffordern, das Arbeitsverhältnis mit Petri fortzusetzen.

„Diese Querelen schaden der Partei“, betont die Landesvorsitzende Hoffmann, weil sie von den wichtigen politischen Fragen ablenken würden. Zusammen mit ihrem Vorstandskollegen Gerald Häfner plädiert sie für die Einrichtung „einer kleinen und im Stillen arbeitenden Kommission“, die eine Lösung der strittigen Punkte erarbeiten soll. In einem Brief an die Fraktion stellt Häfner zusätzlich klar, daß die Partei „von der offenen Diskussion“ lebe. Bernd Siegler

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