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Von Geistern gehetzt

■ Johann Mühlegg, spiritistisch verfolgter Langläufer, wurde nach neuen Angriffen gegen den Bundestrainer suspendiert

Berlin (taz) – In Brasilien beispielsweise würde Johann Mühlegg, wenn überhaupt, höchstens durch unvernünftige Fragen nach der nächsten Loipe auffallen. Sein extensiver Weihwasserverbrauch hingegen wäre kein Thema. Es ist noch nicht allzu lange her, daß der Fußballverein Palmeiras São Paulo eine Niederlagenserie dadurch beendete, daß man sämtliche Spielertrikots mit Weihwasser anfeuchtete. Der große Trainer Tele Santana pflegte vor jedem Spiel den Kabinenboden mit magischem Salz zu bestreuen, und der legendäre Masseur Americo, die Seele der brasilianischen WM-Gewinne von 1958, 1962 und 1970, verdankte seinen Erfolg nicht zuletzt der genauen Kenntnis in Sachen Macumba und Candomblé.

Aber Johann Mühlegg lebt nicht in Brasilien, sondern in Deutschland. Zwar grassiert auch hier im Sport jede Menge Aberglaube und kaum jemand findet etwas dabei, wenn ein Franz Beckenbauer, wie bei der WM 1990, die gesamte Nationalelf vor einem wichtigen Spiel in die Kirche scheucht, aber der überbordende Spiritismus des Ski-Langläufers Mühlegg scheint dann doch zuviel des Guten zu sein. Am Wochenende wurde der Allgäuer vom Deutschen Skiverband (DSV) suspendiert.

Zum Verhängnis geriet dem 24jährigen, daß er die unguten Einflüsse, die seine Karriere angeblich immer wieder behindern, keineswegs magiekundigen Konkurrenten unterstellt, und es auch nicht dabei beläßt, einen Fluch zu konstatieren, den böswillige Nachbarinnen über sein Haus verhängt haben. Mühlegg sieht vor allem einen Unhold am Werk, der ihm sozusagen ständig ins Weihwasser spuckt: den Langlauf-Bundestrainer Georg Zipfel. Die Münchner Wunderheilerin Agostinho, die ihn mit den wundertätigen Wässerchen ausrüstet, welche er in seine Getränke – „Bier ausgenommen“ (SZ) – schüttet, habe ihm die Machenschaften Zipfels vor den Olympischen Spielen in Lillehammer 1994 enthüllt. Schon damals kam es zum Eklat, doch eine Art Stillhalteabkommen sicherte die Olympiateilnahme des besten Freistil-Läufers im DSV.

Auch zu Beginn der neuen Saison versprach dieser, in Sachen Hexerei fortan zu schweigen, doch er hielt nur bis zu den deutschen Meisterschaften am Wochenende in Schonach durch. „Jener Spiritist hat mich wieder spiritistisch verfolgt“, schleuderte er den Fehdehandschuh in Richtung Zipfel, aus Bosheit habe der Bundestrainer seinen Flug nach Frankfurt und nicht nach München gebucht. „Das war eine geplante Aktion vom Spiritisten, der genau gewußt hat, daß ich zurück muß zu Frau Agostinho, zu meiner Gnade“, sagte Mühlegg, nachdem er im 15-km-Rennen überraschend nur Zweiter hinter Andreas Schlütter geworden war.

Daraufhin wurde der Langläufer vom DSV aus dem Nationalteam ausgeschlossen und trat auch nicht mehr für den Bayerischen Skiverband (BSV) in der Staffel an. BSV-Sportwart Franz Rauch schickte Mühlegg umgehend nach Hause und ist überzeugt, daß er kein Rennen mehr für den DSV bestreiten wird: „Heute ging eine große Sportkarriere zu Ende.“

Mühlegg allerdings warf Zipfel vor, daß dieser selbst die Spiritismus-Angelegenheit in die Mannschaft getragen habe, um Stimmung gegen ihn zu machen: „Ich find's halt a Sauerei, primitiv und sehr feige vom Bundestrainer, daß er die Mannschaft gegen mich aufbringt.“ Moralische Unterstützung bekommt er von dem der Geistergläubigkeit unverdächtigen Jochen Behle, der eine Intrige des Bundestrainers vermutet, weil die erfolgreichen Behle und Mühlegg gemeinsam separat von den übrigen Läufern trainieren. Zipfel habe tatsächlich Stimmung gegen Mühlegg gemacht und sei „mit der Situation überfordert, weil er nur noch das Thema kennt“.

Zunächst hat Georg Zipfel, der „finsterstes Mittelalter“ am Walten sieht, die Oberhand behalten, doch es stellt sich zum einen die Frage, ob es sich der DSV leisten kann, seinen besten Skilangläufer dauerhaft ins Abseits zu stellen, zum anderen die, ob ein Leistungssportler tragbar ist, der an Geister, verderbliche Flüche sowie den bösen Blick glaubt und seinen Vorgesetzten für einen übelwollenden Hexenmeister hält. Kein Problem, meint Jochen Behle: „Das ist Johanns Sache, der muß damit fertig werden.“ Stillschweigend, das stellt Mühlegg unmißverständlich klar, gedenkt er dies auf jeden Fall nicht zu tun: „Ich spreche die Wahrheit, und ich laß' mir kein Pflaster auf den Mund kleben.“ Vielleicht sollte er ja künftig doch lieber für Brasilien an den Start gehen. Matti Lieske

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