: Warum Hamburg eben Spitze ist
■ Journalistenreise: Bremer Wirtschaftsprobleme, von Hamburg aus gesehen
Bremens Sorgen, was die Prosperität seiner Hafenfunktion angeht, spiegeln sich im Problem der „Senatsbarkasse“ - jenes Schiffes, auf dem offizielle Gäste auf Hafenrundfahrt gebracht werden sollen. Bremen wird seine Senatsbarkasse verkaufen – sie erfüllt ihren Zweck nicht: Eine Rundfahrt durch die stadtbremischen Häfen wäre eher peinlich, weil die Kajen gähnend leer sind.
Hamburg dagegen denkt nicht daran, seine Senatsbarkasse zu verkaufen. Die Gruppe Bremer JournalistInnen, die auf Einladung des „Hafen-Hamburg-Werbung e.V.“ jüngst an die Elbe fuhr, wurde selbstverständlich auf der dortigen Senatsbarkasse zu den Wachstums-Treibern des Hamburger Hafens gebracht.
Hamburg ist eine Stadt mit Hafen. Das ist so, als lägen die Häfen der Stadt Bremen nicht mitten in Bremerhaven, sondern an der Schlachte. „Bremerhaven ist ein Durchgangshafen fast ohne Hinterland“, sagt der Chef der staatlichen Hamburger Lagerhaus-Gesellschaft (HHLA), Peter Dietrich. Nur 10 Prozent der importierten Güter bleiben in der Region. 90 Prozent der Güter müssen also auf den teuren Land-Transport, bevor sie am Ziel sind. 30 Prozent der in Hamburg angelieferten Ware bleibt dagegen in der Region, Hamburg hat einen „Hafen im Ballungsraum“.
Einen Container von Hamburg (oder Bremen) nach München zu transportieren, ist fast so teuer wie eine Seefracht nach Ostasien, sagt der Hafenchef. Was das bedeutet? Erstens: „Unser Wohlstand ist nicht denkbar ohne die niedrigen Seefrachten.“ Zweitens: Den Vorteil hat der, der mit dem Container-Frachter sozusagen direkt hinter den Spar-Laden fahren kann. Anders gesagt: Es „lohnt“ sich eher, mit dem Schiff aus Hongkong an Bremerhaven vorbei nach Hamburg zu fahren und von dort aus Bremen mitzuversorgen, als Ware aus Bremerhaven an Land zu bringen und die 160 Kilometer auf Straße oder Schiene zu transportieren, um Hamburg mitzuversorgen.
Hamburg liegt zwar, vom Seeweg aus gesehen, „hinter“ den anderen Häfen der „Nordrange“ (Antwerpen, Rotterdam, Bremerhaven), dadurch aber den osteuropäischen Märkten am nächsten. Deswegen sind für Hamburg die Verkehrswege nach Osten so wichtig, deswegen ist Hamburg für die Transrapid . Berlin als Wirtschaftsraum mit 8 Millionen Einwohnern „gehört transportökonomisch gesehen als Hinterland zu Hamburg“, findet Hafenchef Dietrich.
Bananen-Krise? Nichts davon
Krise am Fruchtterminal durch die neue Bananen-Ordnung der EG? Kein Gedanke daran in Hamburg. Wo der bremische Import erhebliche Mengen-Einbußen hinnehmen mußte, hat der Umschlag über den Hamburger Hafen 1994 um 20 Prozent zugenommen. Der Vorteil ist Hamburg durch die geografische Lage in den Schoß gefallen: 25 Prozent des Frucht-Importes gehen nach Ost- und Mitteleuropa und unterliegen nicht den EG-Beschränkungen. Und dort kommen die Menschen gerade erst auf den Geschmack.
Der Fruchthandel ist nur ein kleines Beispiel. Bremen, sagen Hamburgs Wirtschaftsförderer nicht ohne freundlich-ironischen Unterton, lobt sich zu Recht als „größter Kaffee-Hafen für Deutschland“. Aber Hamburg ist der größte Kaffee-Hafen Deutschlands – für Europa. Beim Autoumschlag hat Bremerhaven einen Vorsprung, aber in Hamburg ist das größte ostasiatische Motorrad-Lager Europas. Da der Hafen zunehmend die Lager ersetzt, wird er „Distributionszentrum“.
Insgesamt hat der Containerumschlag seit 1985 in Hamburg um 150 Prozent zugelegt, in Bremen um knapp 40 Prozent. Der große Nachteil des Hamburger Hafens ist die erforderliche lange Fluß-Fahrt. Die Elbe wird in den nächsten Jahren so weit vertieft, daß die größeren Containerschiffe weitgehend tideunabhängig bis nach Hamburg fahren können.
Hat das BLG-Monopol Zukunft?
Im Konkurrenzkampf mit Hamburg und den „großen“ Häfen der Rheinmündung muß Bremens Politik in besonderer Weise „seinen“ Hafen stützen, sagt der hiesige Häfensenator. Das bedeutet: Das Monopol des Hafenumschlages hat in Bremen die (halbstaatliche) Lagerhaus-Gesellschaft (BLG), und die Bilanz der Hafenwirtschaft ist bremisches Staatsgeheimnis.
Sehr zum Ärger der Hamburger Konkurrenten, die überall wettbewerbsverzerrende Subvention wittern. Die EG untersagt staatliche Beihilfen - auch für die Häfen. Bremen hat die Bilanz, die erkennen ließe, ob es de facto Beihilfen gibt oder nicht, nie veröffentlicht. Das bremische Staatsmonopol im Hafen „ist jetzt schon nicht mehr zulässig“, behauptet Thomas Eckelmann, Chef von „Eurokai“.
Die Hamburger wissen aus eigener Erfahrung, mit wieviel „Beihilfe“ ein staatliches Hafenunternehmen arbeitet - sie haben 1970 private Umschlagsgesellschaften zugelassen und die halbstaatliche HHLA denselben Bedingungen unterstellt wie die Privaten. Zum Beispiel zahlt jede Umschlagfirma in Hamburg Pacht für die Infrastruktur, die sie benutzt. In Bremen nutzt die BLG die Infrastruktur „umsonst“. Als Anteilseigentümer ist Bremen beteiligt an den Gewinnen, das kommt auf dasselbe raus, wendet BLG-Sprecher Hajo Weil dagegen ein. Aber was ist, wenn die BLG keine Gewinne macht? Oder wenn sie 25 Millionen Verluste macht wie in 1993? Wer trägt die Verluste? „Wir haben das ungute Gefühl, daß hier mit ungleichen Waffen gekämpft wird“, sagt Hamburgs privater Hafen-Unternehmer Eckelmann.
Streit um die Elbe-Weser-Bahn
1993 war die Hamburger Hafenwirtschaft sehr angefaßt, als die Bremer in Hongkong Hochglanzprospekte verteilten mit der Ankündigung, demnächst könnten die Container auf dem kurzen Weg in Bremerhaven entladen werden – über die neue private Elbe-Weser-Bahn würden sie kostengünstig mitten in den Hamburger Hafen gebracht.Hamburg untersagte es der BLG-Tochter SCL, die 1,5 Kilometer Hamburger Hafenbahn zu nutzen. Inzwischen ist der Konflikt, der auch die Ministerpräsidenten beschäftigte, beigelegt: Die Transfracht, eine Tochterfirma der Bundesbahn, darf die neue Bahnstrecke für Container-Züge benutzen - bis in den Hamburger Hafen.
Aber es ist bis heute kein zusätzlicher Containerzug gefahren. Warum nicht? Die Hamburger Hafenvertreter heben unschuldig die Arme - damit haben sie nichts zu tun. Für Bremens BLG-Sprecher ist die Antwort einfach: Die Transfracht fährt derzeit die Container von Bremerhaven über eigene Strecken auf dem Umweg über Bremen nach Hamburg. Wer würde erwarten, daß sie einen günstigen Frachttarif für die kürzere Verbindung und über die private Elbe-Weser-Bahn anbieten würde? Die BLG hat längst eine Alternative aufgebaut: 30.000 Container, die für Hamburg bestimmt waren, sind 1994 in Bremerhaven abgeladen und mit einem Küstenmotorschiff nach Hamburg gebracht worden.
Wirtschaftsförderung auf Hamburgisch
Hamburgs Gesellschaft für Wirtschaftsförderung ist grundsätzlich anders aufgebaut als die bremische: Die Stadt hat in der GmbH keine Mehrheit, sondern Banken und Handelskammer. „Alle, die hier arbeiten, kommen aus der Wirtschaft“, sagt der PR-Mann. Kein Staatsbeamter kann da reinreden oder hat die Chance, beschäftigt zu werden. Und deswegen kann die Wirtschaftsförderungsgesellschaft ohne rot zu werden auch mit einem speziellen norddeutschen Vorteil für Hamburg werben: In Norddeutschland, so zeigt eine Werbegrafik der GmbH eindrucksvoll, gehen der Firma nur 8 Tage als Feiertage verloren. Hamburg ist eben Spitze. K.W.
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